In blutiges Rot ist das Gorki-Studio für diese Musiktheater-Installation im Rahmen des 7. Berliner Herbstsalons getaucht. Um Schuld und Schmerz kreisen die Verse von Paul Celan, die an diesem knapo 90minütigen Abend zusammengestellt. Zur Live-Musik von Andrea Belfi (Komposition der Vertonung und Schlagzeug/Electronics), Elena Kakaliagou (Französisches Horn) und Guido Kohn (Cello) tragen die beiden Ensemble-Mitglieder Edgar Eckert und Lindy Larsson, Countertenor Steve Katona, der schon in der Vorgänger-Produktion „I pity the garden“ dabei war, und die Schriftstellerin/Filmemacherin/Sängerin Daria Neis eine Reihe von Celans Gedichten vor.
Mal im deutschen Original, mal in englischer Übersetzung, stets untertitelt, vorzugsweise aus den Bänden „Atemwende“ und „Die Niemandsrose“, die in den 1960er Jahren erschienen sind, stammen die Gedichte. Gemeinsam ist den Texten ihre düster-melancholische Grundstimmung, die sich auch in den musikalischen Arrangements transportiert. Ein raunender, zum Teil wehklagender Ton, dazu das Kratzen der Instrumente. Ganz zurückgenommen ist die Körpersprache der Sänger*innen und Sprecher*innen: kerzengerade, den Blick in die Ferne gerichtet, performen sie die Texte mit großem Ernst.
Erst kurz vor Schluss ertönt der bekannteste Celan-Text, die „Todesfuge“ über den Holocaust, mit der berühmten Zeile „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“. Der Hintergrund ist in Schwarz-Rot-Gold eingefärbt. Die Kontinuität rechter Gesinnung und Nazi-Seilschaften ist am Gorki Theater ein wiederkehrendes Thema, insbesondere in Arbeiten von Ersan Mondtag und Oliver Frljić.
Keinerlei Comic Relief, keinerlei Ablenkung gibt es in diesem 90minütigen Kunstexerzitium, das Nazanin Noori als zweite Arbeit im Studio des Gorki Theaters eingerichtet hat. Anerkennend, aber doch verhalten ist der Applaus des überwiegend jungen Publikums nach der zweiten Vorstellung.
Bild: Etritanë Emini