Wütend und polemisch ist „Yes“ von Nadav Lapid, der seit 2020 in Paris lebt und sich wie schon in „Synonymes“ (Goldener Bär 2019) an Israel, der Regierung Netanyahu und dem Nahost-Konflikt abarbeitet. Lapids Film ist ein Frontalangriff gegen die Regierung seiner alten Heimat und die Oberschicht in Tel Aviv, bewusst einseitig und provozierend, dabei voller Ideen und künstlerisch virtuos.
Der erste der drei Teile wirkt wie eine Fortsetzung von „The Square“ und „The Triangle of Sadness“ von Ruben Östlund: in einer wilden Farce führt er ein Künstlerpaar (Ariel Bronz als Y. und Efrat Dor als Yasmin) vor, die sich im doppelten Sinn prostituieren. Auf den Yachten der Reichen und Schönen tanzen sie zu 90er Jahre-Hits wie „Be my lover“ von La Bouche, bieten auch sexuelle Dienstleistungen an, sind aber auch für fragwürdige künstlerische Angebote offen. Y. wird von einem russischen Oligarchen (Alexej Serebrjakow) geködert, eine neue Nationalhymne für Israel zu schreiben, die vor Nationalismus und Chauvinismus nur so trieft und die Vernichtung der Palästinenser proklamiert.

Lapid rechnet mit einer Schicht und ihren Mitläufern ab, die dekadent weiterfeiern und die Gewaltspirale vorantreiben, während auf dem Handy von Y. die nächste Eilmeldung über Tote im Gaza-Krieg mit Pling-Ton eintreffen. In einem langen Monolog beschreibt Leah (Naama Preis) die Gräuel des Hamas-Terrors vom 7. Oktober 2023, die dieser Film nicht beschönigen und kleinreden will. Ihm geht es darum, dass das Leid in Gaza ausgeblendet wird. Georg Seeßlen beschrieb den Standpunkt in der ZEIT so: „Yes ist ein Monstrum von einem Film. Einerseits ist er eine zornige Absage: an eine Gesellschaft, in der nichts mehr zählt außer Geld und Macht, und an einen Krieg, der das Leiden nicht lindert, sondern nur vervielfacht. (…) Yes ist letztlich ein Aufruf, sich dem Orientierungsverlust zu stellen, ohne in ein simples Schwarz-Weiß zu verfallen.“
Lapid war sich natürlich bewusst, welches diskursive Minenfeld er mit seiner Polemik betritt. Es ist keine Überraschung, dass „Yes“ für den Wettbewerb um die Goldene Palme in Cannes, in dem Lapids vorheriger Film „Aheds Knie“ noch lief, abgelehnt wurde. Stattdessen wurde er in der Off-Reihe Quinzaine des cinéastes gezeigt: der richtige Ort für diesen herausfordernden, bewusst vor den Kopf stoßenden und Fragen aufwerfenden Film.
Nach der Cannes-Premiere lief er auf mehreren weiteren Festivals, z.B. in München im Cinemasters-Wettbewerb und in Valladolid, wo der Schnitt von Nili Feller ausgezeichnet wurde. In die deutschen Programmkinos brachte Grandfilm „Yes“ am 13. November 2025.
Bilder: Grandfilm