Wut prägt diese 109 Minuten. Der israelische Regisseur Nadav Lapid arbeitet sich einmal mehr in seinem zentralen Thema ab: der Wut auf die Zustände in seiner Heimat, die rechte Regierung des Langzeit-Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und die Politik seiner Kulturministerin Miri Regev.

2019 verdichtete er diese Wut zu einem essayistischen Aufschrei: „Synonymes“ gewann den Goldenen Bären der Berlinale und lebte vor allem von Charisma und Radikalität des Hauptdarstellers Tom Mercier, der Entdeckung des damaligen Festivals.

Mit „Aheds Knie“ versucht Lapid unmittelbar daran anzuknüpfen: er schickt sein Alter ego, den Regisseur X. (Avshalom Pollak), in die Arava-Wüste. Dort soll er seinen in Berlin prämierten Film in einem Kulturzentrum vorstellen. Doch Yahalom, die Mitarbeiterin des Kulturministeriums (Nur Fibak), erklärt ihm mit treuherzigem Augenaufschlag, dass er eine lange Liste heikler Themen auf jeden Fall aussparen muss. Der Regisseur greift damit die Kritik vieler liberaler und linker Intellektueller an der Praxis der oben erwähnten Kulturministerin Regev auf.

Dramaturgisch ist das alles zu wenig zwingend, vor allem fehlt „Aheds Knie“ ein so starkes Zentrum, wie es Mercier im Vorgänger-Film „Synonymes“ war. Das neue Werk besteht aus Wuttiraden in der Wüste und Rückblenden auf die Militärzeit, in denen die von Lapid beklagte Militarisierung und Verrohung der Gesellschaft anekdotisch illustriert werden. Das titelgebende Knie der Ahed schwingt in einem dritten, mit dem Rest nur lose verbundenen Strang mit: Bei Ahed handelt es sich um die palästinensische Aktivistin Ahed Tamimi, die nach einer Auseinandersetzung mit einem israelischen Soldaten verurteilt wurde. Der rechtsreligiöse Politiker Bezalel Smotrich, später einige Monate Verkehsminister in einem Kabinett Netanjahus, wütete in einem Tweet, dass er ihr am liebsten eine Kugel ins Knie schießen möchte. Diesen Vorfall verarbeitet Lapid in einem Casting für einen Film im Film, der aber nur eine Randnotiz bleibt.

Auch „Aheds Knie“ hat das Schicksal, dass es wie ein Nachklapp oder eine Fußnote zu „Synonymes“ wirkt. Im Wettbewerb von Cannes 2021 wurde Lapid dennoch mit einer Silbernen Palme, dem Preis der Jury, ausgezeichnet, den er sich mit Apichatpong Weerasethakul (für „Memoria“) teilte.

Im Herbst 2021 lief „Aheds Knie“ bereits bei der Online-Ausgabe des Internationalen Filmfests Mannheim-Heidelberg und bei Around the World in 14 films in der Berliner Kulturbrauerei. Am 17. März 2022 brachte ihn Grandfilm in einige Programmkinos.

Bild: Grandfilm

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert