Triangle of Sadness

Als bissige Milieustudie der Welt der Models und Influencer*innen beginnt Ruben Östlunds neuer Film „Triangle of Sadness“. Schönling Carl (Harris Dickinson) leidet darunter, dass er mit 25 Jahren bald zu alt für den nach Frischfleisch gierendem Markt sein wird und wesentlich weniger verdient als Yaya (Charlbie Dean Kriek). Seine Freundin macht ihm unmissverständlich deutlich, dass sie nur mit ihm zusammen ist, um ihre Follower*innen-Reichweite und ihren Marktwert zu steigern. Als langfristiger Partner kommt er für sie nicht in Frage, sie sieht sich als trophy wife eines Superreichen, wenn die Modelkarriere mal stocken sollte. Materialistisch eingestellt wie sie ist, erwartet sie auch, dass ihr Freund alle Rechnungen für sie übernimmt, wie es die traditionelle Rollenverteilung vorsieht.

Es hat analytische Schärfe und Witz, wie Östlund zeigt, wie die beiden sich an der banalen Frage, wer die Rechnung zahlt, in einem Geflecht aus gegenseitigen Vorwürfen und im Spannungsfeld aus Sex, Macht und Schönheit verheddern.

Doch nach dieser Exposition lässt der mit 2,5 Stunden viel zu lange Film in den beiden kommenden Akten stark nach. Eine Kreuzfahrt von Oligarchen-Paaren und anderen Superreichen endet in „wahren Fontänen aus Scheiße und Kotze„, wie Joachim Kurz auf kino-zeit.de treffend zusammenfasste. „Triangle of Sadness“ wird zur grellen Farce, die auf drastisch-derbe Komik setzt. Selten gibt es halbwegs unterhaltsame Passagen wie den Schlagabtausch zwischen dem besoffenen amerikanischen kommunistischen Kapitän (Woody Harrelson) und dem russischen Düngemittel-Fabrikanten (Zlatko Burić) kurt vor dem Kentern der Yacht. Der Rest sind nur Schießbudenfiguren, als Karikaturen sind beispielsweise Iris Berben als Schlaganfallpatientin und Sunnyi Melles als exzentrische Oligarchen-Gattin an Bord.

Im letzten Teil strandet ein kleines Häuflein auf einer Insel. Auch die Robinsonade ist sehr holzschnittartig gezeichnet. Die Machtverhältnisse kehren sich um, die philippinische Toilettenfrau Abigail (Dolly De Leon) übernimmt das Regiment, da sie als einzige die notwendigen Kenntnisse hat, um in der Wildnis zu überleben. Die neue Machtposition genießt sie in vollen Zügen, sie hält sich das Model Carl als Toyboy, im Gegenzug für sexuelle Dienstleistungen versorgt sie das Grüppchen mit Fisch.

Nach dem vielversprechendem Beginn und kompletten Entgleisen dieses Films stellt sich die Frage, welchen Narren die Jurys in Cannes an Ruben Östlund gefressen haben. Schon „The Square“, das 2017 die Goldene Palme gewann, war alles andere als subtil. Nicht alle Kritiker*innen verrissen „Triangle of Sadness“ so harsch wie Andreas Scheiner in der NZZ, als der Film vor kurzem beim Filmfest Zürich lief. Aber von einem Meisterwerk oder auch nur dem gewohnten Cannes-Niveau ist Östlund leider ein ganzes Stück entfernt.

„If this is the best of Cannes, I don’t want to see the worst“, seufzte „strangertims“ auf Letterboxd. Und auch Anke Lewekes ZEIT-Fazit fiel im Mai 2022 bitter aus: nach einem schlurfend-kraftlosen Jahrgang müsse das A-Festival „Raus aus den Puschen!“ Aber gab es wirklich in diesem Frühsommer keinen besseren Film an der Croissette?

„Triangle of Sadness“ startet am 13. Oktober 2022 in den deutschen Kinos. Zwei Monate später räumte „Triangle of Sadness“ auch beim Europäischen Filmpreis in den wichtigsten Kategorien ab (bester Fiolm, beste Regie, bestes Drehbuch, Zlatko Burić in seiner Oligarchen-Karikaturrolle als bester Darsteller), das macht die Fragezeichen nicht kleiner.

Bilder: @ Fredrik Wenzel / Alamode Film

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