Es gibt ja eine Reihe von Regisseuren, die ihr Thema unendlich variieren und immer denselben Stil pflegen. Und dann gibt es die experimentierfreudigen, neugierigen Autoren, die stets aufs Neue überraschen und sich in verschiedene Genres stürzen. Zu letzteren zählt eindeutig der Südkoreaner Park Chan-Wook. Mit exzessiven Rache-Thrillern wie „Oldboy“ hat er sich einen Namen gemacht, mit dem raffinierten Vexier- und Intrigenspiel „Taschendiebin“ schuf er ein Meisterwerk, zuletzt irritierte er bei Around the World in 14 films mit dem etwas zu manierierten Noir „Die Frau im Nebel/Decision to Leave“.
Was Park Chan-Wook zu seinem neuesten Streich inspiriert hat, liegt auf der Hand: der Triumph seines Landsmanns Bong Joon-Ho, der mit „Parasite“ 2019/20 fast alles von der Goldenen Palme bis zu den Oscars abräumte. So eine rasante, bitterbös-tiefschwarze Sozialsatire wollte auch Park ganz offensichtlich drehen, als er sich den Roman „The Ax/Der Freisteller“ (1997/98) von Donald Westlake vornahm, der bereits 2005 unter dem Titel „Die Axt“ von Costa-Gavras adaptiert wurde.
Doch Park fremdelt sichtlich mit diesem unbekannten Terrain. Während Bong meisterhaft mit subtilem Witz, bösen Pointen und kuriosen Wendungen jongliert, arbeitet Park hier zu sehr mit dem Holzhammer. Seine Groteske bedient mit Slapstick und grobschlächtigem Humor den Geschmack des Blockbuster- und Popcorn-Kinos, auch die Gesellschaftskritik an einer Arbeitswelt, in der Rationalisierungsdruck, KI und Unternehmensberatungen für „Freistellungen“ verdienter Mitarbeiter sorgen, bleibt zu plakativ und vordergründig. Dementsprechend ging er bei seiner Premiere im Wettbewerb von Venedig im September 2025 leer aus.
Der sehr vorhersehbare Plot lässt sich so zusammenfassen: der „freigestellte“ Manager einer Papierfabrik muss um seine wirtschaftliche Existenz und den liebgewonnenen Lebensstandard kämpfen. Als die Bewerbungen erfolglos bleiben, sieht er nur einen Ausweg: Mitbewerber blutig aus dem Weg zu räumen. Trotz aller Tölpelhaftigkeit hat er damit letztlich Erfolg.
Dass dieser oft sehr einfach gestrickte Humor seine Zielgruppe findet, zeigen der Publikumspreis in Toronto und der Regie-Preis in Sitges. „No other choice“ tourte noch über weitere Festivals wie z.B. Busan, London, New York, Wien und wurde von Südkorea für die Oscar-Verleihung des besten fremdsprachigen Films nominiert.
Seine Deutschland-Premiere feierte der Film diese Woche bei Around the World in 14 films. Diese Vorstellung wurde jedoch zu meinem schlimmsten Kino-Erlebnis des Jahres. Das lag weder am Film, der einfach nicht meinen Humor traf, und auch nicht am engagierten Festival-Team, das auch bei der 20. Ausgabe einen hervorragenden Job macht. Wenn es das Festival nicht schon gäbe, müsste man es erfinden, und was Bernhard Karl und seine Mitarbeiter*innen Jahr für Jahr mit cineastischem Perlentauch-Gespür und viel Herzblut auf die Beine stellen, verdient jede Anerkennung.
Umso erschreckender ist es, was ich an diesem Abend erleben musste: dass ein Zuschauer, der kurz nach Filmbeginn reinhetzte, erstmal mit seinem Handy-Display beschäftigt war, ist ärgerlich, aber noch nicht so ungewöhnlich. Nach einer freundlichen Bitte, das störende Handy auszuschalten, ist der Fall normalerweise erledigt.
Ganz anders im Fall dieses nicht nur rücksichtslosen, sondern auch rüpelhaften, widerlichen Zeitgenossen. Ungerührt nahm er immer wieder sein Handy, beleuchtete den Raum und befasste sich mit seinen Chats und seiner Timeline. Die Bitte, endlich Ruhe zu geben, wies er mit einem, man möge sich um seinen eigenen Scheiß kümmern, zurück und reckte schließlich mehrfach den Stinkefinger. Wenn er sich doch mal auf den Film konzentrierte, gluckste er über die flachsten Gags.
Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal schreiben müsste, aber das 14films-Festival braucht aus meiner Sicht dringend ein Awareness-Team, um solche Gestalten in den Griff zu bekommen, die sich durch ihr unflätiges Benehmen disqualifizieren und auf einem cineastischen Festival nichts zu suchen haben.
Vielleicht nur ein Einzelfall, könnte man denken. Leider nicht. Ähnlich Krasses habe ich zum Glück in der Festivalwoche nicht erlebt. Aber auch folgendes würde ich kaum glauben, wenn ich nicht live dabei gewesen wäre: nach der ersten Stunde von „I only rest in the storm“ begann ein Besucher, auf seine Begleiterin mit einem Koreferat zum Film einzureden, als säßen beide vor Netflix auf der Couch. Dies ging mehrere Minuten, bis ein Zuschauer, der näher an diesem Lautsprecher saß, erfolgreich um Ruhe bat.
Für Nachholbedarf spricht auch, dass es bei 14films noch keine Hinweis-Spots gibt, wie sie die Yorck-Gruppe oder die Hackeschen Höfe einsetzen. Aus gegebenem Anlass gibt es dort seit einiger Zeit witzige oder sachliche Clips, die dafür sensibilisieren, wie störend das Daddeln auf dem Display für andere im Saal ist. Das Ergebnis: in den genannten Sälen habe ich in den vergangenen Monaten deutlich weniger aufblitzende Handy-Displays gesehen als bei 14films, das auf diese Hinweise bislang verzichtet.
Plaion Pictures bringt „No Other Choice“ am 5. Februar 2026 in die Kinos, dann hoffentlich ohne so unerfreuliche Begegnungen mit widerwärtig-bornierten Gestalten wie diesem englischsprachigen Gast in der Kulturbrauerei.
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