Im Berliner Theater-Advent 2016 gibt es einen bemerkenswerten Trend: schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage nehmen sich große Häuser ein Ideen-Drama über die Französische Revolution vor. Beide Male spielen Studenten der Hochschule für Schauspiel (HfS) Ernst Busch tragende Rollen, beide Male verpacken die Regisseure ihren Stoff als unterhaltsame Nummernrevue und beide Male führt ein Conférencier durch den Abend.
Nach „Marat/Sade“ von Stefan Pucher folgt Büchners „Dantons Tod“ in einer Inszenierung von Peter Kleinert, die er mit dem Nachwuchs in ihrem 3. Studienjahr an der HfS und Vincent Redetzki erarbeitete.
Die Rolle des Conférenciers übernimmt im Studio der Schaubühne Paul Maximilian Schulze, der eine kurze Einführung in die Revolutionswirren gibt und sich dann dezent in den Hintergrund tritt. Den größten Raum nimmt sich an diesem Abend Jonas Dassler, der den Danton als Lebemann und Kraftpaket verkörpert. Wie schon in Büchners Drama wirkt das zwischenzeitliche Zaudern dieser Figur auch an diesem Theaterabend nicht ganz schlüssig. Am wohlsten fühlt sich Dassler, wenn er mit der E-Gitarre die Bühne rocken darf, im Lars Eidinger-Stil direkte Tuchfühlung mit dem Publikum in der ersten Reihe aufnehmen oder seinen gestählten Körper präsentieren darf.
Sein Gegenspieler Robespierre wird von einer Frau gespielt: Esra Schreier ist mit ihren leisen, aber bestimmten Tönen, ihrem zusammengekniffenen Mund und der asketischen Strenge, die sie ausstrahlt, ein interessanter Gegenpol zu Dasslers Danton.
Ihre Rededuell darf auch in dieser Büchner-Inszenierung, die ansonsten oft sehr frei mit der Vorlage umgeht. Der Abend ist als Rockkonzert mit Schlagzeug, Keyboard und E-Gitarre angelegt und unterhält sein Publikum mit einem Stil-Mix aus Blues, Rap, Punk und Pop.
Manches wirkt noch etwas ungeschliffen und fahrig, nicht jeder Übergang zwischen Musikstück und Schauspiel-Text sitzt. Vieles scheint im spielerischen Proben-Rausch spontan erfunden und zu einer Revue zusammengepuzzelt. So dürfen Monika Freinberger und Lola Fuchs als Glamour-Girls durch den Abend zicken. Ihre Revolutionärs-Gattinnen Lucie und Camile erinnern eher an Spielerfrauen von Fußball-Promis als an Büchners Charaktere.
„Dantons Tod“ fehlt auch die Stringenz von Peter Kleinerts letzter Arbeit „Die Mutter“ an der Schaubühne, für die vor allem Ursula Werner als ruhender Pol und strenge Mutter der Kompanie sorgte. Auch wenn noch nicht alles perfekt ist – und wie könnte es das auch im 3. Studienjahr bereits sein – hat der Abend den Charme des Unfertigen mit einer coolen Truppe, der man gerne zusieht. „Dantons Tod“ ist ein Spaß für alle Beteiligten: für das Publikum wie für die Spieler auf der Bühne.
Als Hausherr Thomas Ostermeier 2001 kurz nach dem Start seiner Intendanz an der Schaubühne „Dantons Tod“ inszenierte, rümpfte Andreas Schäfer in der Berliner Zeitung die Nase, dass er „hauptsächlich abgestandenes Mineralwasser“ angeboten bekam. Mineralwasser ist diese neue Inszenierung auf der Studiobühne sicher nicht, eher ein kleiner Aperitif, der Lust auf mehr macht.
„Dantons Tod“ hatte am 3. Dezember 2016 im Studio der Schaubühne Premiere. Weitere Informationen und Termine
Bilder: Gianmarco Bresadola
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