Joschka und Herr Fischer: Selbstzufriedene Zeitreise

Der ehemals mit weitem Abstand beliebteste Politiker und wortgewandte Staatsmann erklärt uns mal wieder die Welt: Gemeinsam mit dem Dokumentarfilmer Pepe Danquart schreitet Joschka Fischer im aktuellen Kinofilm "Joschka und Herr Fischer" die Stationen seines langen Laufs zu sich selbst und durch die Institutionen ab.

Fischer taucht mit ausführlichen Erklärungen in seine Vergangenheit mit all ihren Brüchen und Häutungen ein. Die Stichworte liefern ihm großformatige Videoleinwände, die uns noch mal Episoden seines Lebenswegs vor Augen rufen. Die meisten Bilder hat jeder politisch Interessierte schon oft gesehen, vieles gehört ins kollektive Gedächtnis der jüngeren Zeitgeschichte: Die Vereidigung in Turnschuhen als hessischer Umweltminister 1985, die Straßenschlacht mit dem am Boden liegenden Polizisten im wilden Frankfurter Sponti-Milieu der 70er Jahre, das schmerzverzerrte Gesicht nach dem Farbbeutelwurf auf dem Bielefelder Sonder-Parteitag der Grünen zum Kosovo-Krieg 1999 oder sein "I am not convinced!", mit dem er Donald Rumsfeld in der Irakkriegs-Debatte auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2003 zurechtwies.

Der Filmemacher hob mit seinem Team aber auch einige Schätze aus dem Archiv Grünes Gedächtnis und bietet einige interessante Sequenzen aus der tiefkatholischen Heimat Fischers, der als Sohn von Vertriebenen in der schwäbischen Provinz aufwuchs. Seine Kampflust und sein Durchhaltevermögen hat es sicher geprägt, dass er schon früh in einer Außenseiterrolle war und sich sein katholisches Heimatdorf in einer Diaspora-Situation gegen die umliegenden protestantischen Gemeinden abschottete.

"Joschka und Herr Fischer" ist ein durchaus sehenswerter politischer Dokumentarfilm, wenn man von folgenden Schwächen absieht: Mit mehr als zwei Stunden ist die anekdotenreiche Zeitreise etwas zu lang geraten. Ohne recht erkennbaren Zusammenhang sind kurze Statements z.B. von der Schauspielerin Katharina Thalbach eingefügt. Gerade an diesen Stellen hätte man rigoroser schneiden müssen. Außerdem spaltet Joschka Fischer die Gemüter: Seine Selbstzufriedenheit über das Erreichte lässt er das Publikum deutlich spüren.

Die Webseite zum Film "Joschka und Herr Fischer"

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