Festivals sind die idealen Orte für überraschende Entdeckungen. Wer hätte gedacht, dass das Stadttheater Bern einen solch schwungvollen und ungewöhnlichen Theaterabend wie Murder Ballads im Repertoire hat? In den Feuilletons der großen Zeitungen erfährt man hin und wieder von den Inszenierungen in Zürich und Basel. Aber Bern haben wir normalerweise nicht auf dem Schirm, wie Joschka Fischer so schön sagen würde. Mit Bern assoziieren wohl auch die meisten Schweizer nur sprichwörtliche Langsamkeit, den Verwaltungsapparat und die Sennenhunde.
Deshalb ist es bemerkenswert, dass den Scouts und dem Team der Autorentheatertage am Deutschen Theater Berlin diese unterhaltsame Aufführung Murder Ballads mit dem Untertitel Ein blutiger Abend nicht entgangen ist. Das Konzept ist ungewöhnlich, aber bestechend einfach: Die Drehbuchautorin Rebecca Kricheldorf bettete die elf Songs aus Nick Caves berühmtem Album Murder Ballads (1996) in eine Rahmenhandlung mitten im tiefsten Mittleren Westen der USA ein. Eine abgelegene Bar mit einem unberechenbar-lasziven und bedrohlichen Barmann (Andri Schenardi), der für seine schlangenhafte Beweglichkeit und seine Gesangskünste den stärksten Applaus bekommt.
Neben der Stammkundin (Marianne Hamre) bevölkern nach und nach weitere zwielichtige und gestrandete Kreaturen diesen Un-Ort, fordern sich zu Trinkspielen heraus und erzählen sich über Morde und tragische Unglücksfälle. Das bietet die stimmige Atmosphäre für Nick Caves Songs, die von den Ensemble-Mitgliedern mit Begeleitung der Band Los Hemiolos angestimmt werden. Natürlich durfte auch Nick Caves Duett Where the Wild Roses grow mit Kylie Minogue nicht fehlen, das alle Schauspieler zusammen auf Schaukeln trällern.