„Kaputt“ an der Volksbühne: Castorf wühlt sich durch Curzio Malapartes Kriegsberichte

Frank Castorf ist für seine stundenlangen Volksbühnen-Marathon-Inszenierungen bekannt und in manchen Kreisen auch gefürchtet. Dennoch wagten sich immerhin so viele Zuschauer an den Rosa-Luxemburg-Platz, dass die Ränge halbwegs gefüllt waren. Die Lücken bliebe jedoch groß genug, dass es sich einige Zuschauerinnen liegend – ausgestreckt quer über drei Stühle – bequem machen konnten.

Nach den sehr kritischen Rezensionen zur Premiere nutzte Castorf die vergangene Woche, um das Stück zu straffen und von sechs auf knapp fünf Stunden (inklusive Pause) zu kürzen. Wie üblich erleben wir lange Video-Sessions. Weite Strecken spielen sich hinter der Bühne ab und werden live auf die Leinwand projiziert. Knietief waten die Dialoge, die sich bei Curzio Malapartes Weltkriegs- und Faschismus-Erinnerungs-Wälzer Kaputt (1944) als Text-Steinbruch bedienten, durch ausschweifende Betrachtungen über einen angeblichen Nationalcharakter – wahlweise von Polen, Deutschen und Italienern.

Auch Patrick Güldenberg, der vor einem Jahr aus Zürich nach Berlin wechselte und in der sehenswerten Kinokomödie Wir sind die Neuen als neurotisch-streberhafter Jura-Student zu erleben war, kann den langen Abend nicht mehr retten, obwohl er als Hans Frank, Generalgouverneur im von den Nazis besetzten Polen, und zuvor als blutverschmiertes, nacktes Kriegsopfer, das anscheinend stellvertretend die Brutalität der Kriegs-Barbarei erdulden muss, die stärksten Szenen einer ansonsten in zu viele Bruchstücke auseinanderberstenden, anstrengenden Inszenierung hat.


Kaputt von Frank Castorf. – Ca. 5 Stunden. – Premiere war am 8. November 2014

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