Ein ungewöhnlicher Auftakt: Corinna Harfouch tigert bereits Minuten vor dem Beginn ihrer Elektra-Matinee über die kleine Bühne der Kammerspiele des Deutschen Theaters. Auch ihr Sohn Johannes Gwisdek, der sie musikalisch begleitet, ist schon anwesend, sie besprechen sich hektisch, wirken angespannt.
Corinna Harfouch tritt nach vorne und setzt zu einer etwas umständlichen Einführung an. Sie hätten zwei Alternativen vorbereitet, sich nun kurzfristig für eine Textcollage mehrerer Autoren entschieden statt sich ganz auf Hugo von Hoffmansthals Elektra-Bearbeitung, das Libretto der Strauss-Oper, zu konzentrieren. Stockend berichtet sie, dass sie die Figur der Elektra aus dem Atriden-Mythos schon in ihrer Jugend fasziniert habe. An der Schauspielschule habe sie sich mit einem Monolog aus dem Drama von Sophokles beworben.
An der Elektra reize sie die Unerbittlichkeit, mit der sie in den Wunden bohre und die Verbrechen der Klytemnaistra und des Aigisthos anklage. Sie stemme sich gegen den Versuch, das begangene Unrecht unter den Teppich zu kehren, und habe ihr ganzes Leben der Rache verschrieben. Sie „nerve“ und sei „niemand, den man gerne zum Kaffee einlade“, meint Harfouch, aber ihr ständiges Mahnen habe eine wichtige und tief beeindruckende Funktion.
Zum Ende ihrer knappen Vorrede verhaspelt sie sich kurz, wünscht einem Gast, den sie persönlich begrüßt, einen „Guten Abend“, korrigiert sich schnell und beginnt dann ihr knapp einstündiges Solo.
Plötzlich wirkt sie verwandelt: eben noch nervös und unsicher, geht sie ganz in der Rolle der Elektra auf. Mal aggressiv donnernd, mal vorsichtig tastend trägt sie Fragmente aus den verschiedenen literarischen Bearbeitungen der vergangenen Jahrtausende vor. Aischylos und Sophokles, zwei der Großmeister der griechischen Tragödie, mischt sie mit neuzeitlichen Annäherungen von Hugo von Hoffmannsthal, Gerhart Hauptmann, Jean-Paul Sartre und Jean Giraudoux.
Ein fulminanter Auftritt einer großen Schauspielerin!
Corinna Harfouch setzt ihre Matinee-Reihe seit dem Beginn dieser Spielzeit in unregelmäßigen Abständen fort. Beim nächsten Termin am 12. April wird sie sich der Kassandra widmen.