Julianne Moore bekommt endlich den verdienten Oscar: Alzheimer-Drama „Still Alice“

Hollywood nimmt sich des Themas Alzheimer an. Da muss man Schlimmstes befürchten: etwa einen in Sentimentalität badenden, rührseligen Schinken, der das Drama dieser Krankheit in Schwulst und Klavier-Untermalung ertränkt. Oder eine Aneinanderreihung von Klischees, wie sie Til Schweiger dem Publikum mit Honig im Kopf zumutete.

Dass Still Alice nicht in diese Fallen tappt, ist der großartigen Hauptdarstellerin Julianne Moore und dem Fingerspitzengefühl des Regie-Duos Richard Glatzer, der vor wenigen Tagen an ALS gestorben ist, und Wash Westmoreland, seinem Lebensgefährten, zu verdanken. Julianne Moore spielt Alice Howland, eine Linguistik-Professorin an der Columbia University, die wenige Tage nach ihrem 50. Geburtstag erste Anzeichen eines diffusen Unbehagens spürt: Unkonzentriertheit, Gedächtnislücken, Orientierungslosigkeit beim Joggen. Als ihre Tochter ihr den neuen Freund beim Abendessen vorstellt, muss sie mehrfach nach seinem Namen fragen. Deshalb geht sie zum Neurologen, der sie mit der Diagnose einer erblich bedingten, früh einsetzenden, rasch voranschreitenden Alzheimererkrankung konfrontiert.

Die Extraklasse von Julianne Moore zeigt sich darin, wie sie diese Rolle einer Frau spielt, die sehr bewusst miterlebt, dass sie nach und nach ihre kognitiven Fähigkeiten einbüßt und in Vorlesungen den Faden verliert: „Eine Schauspielerin, die es auf theatralische Wirkung anlegte, würde jetzt die Augen aufreißen, ihren Atem beschleunigen und ihren Kopf in alle Richtungen drehen, um den Eindruck tiefer Hilflosigkeit zu verstärken. Julianne Moore tut erst einmal nichts. Sie schaut noch nicht einmal um sich. Sie starrt vor sich hin. Sie gefriert. Und in diesem vereisten Zustand entfernt sich die Welt von ihr. Die Dinge werden unscharf, die Perspektiven beginnen zu bröckeln. Es dauert nur ein paar Sekunden, bis Alice wieder weiß, wo sie ist, aber Julianne Moore dehnt diese Augenblicke zu einer Ewigkeit“, schrieb Andreas Kilb in der FAZ. Nach mehreren Nominierungen wurde sie verdientermaßen mit dem Oscar für die beste weibliche Hauptdarstellerin ausgezeichnet.

Eine positive Überraschung ist Kristen Stewart in der Nebenrolle der Tochter Lydia, die zum zweiten Mal nach Die Wolken von Sils-Maria zeigt, dass sie mehr als nur Teenie-Vampir-Popcorn-Kino kann.

Still Alice – Mein Leben ohne Gestern. – Regie: Richard Glatzer, Wash Westmoreland. – USA 2014. – 101 Minuten. – Kinostart: 5. März 2015

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