Diese Mischung aus Popsongs und bitterbösen jüdischen Witzen, die collagenhafte Erzähltechnik, die Privates und Politisches miteinander in Beziehung setzt: das ist der unverkennbare Marianna Salzmann-Sound. Seit 2013 leitet sie das Gorki-Studio Я: ihre Eröffnungs-Inszenierung Schwimmen lernen trug zu einem glänzenden Start des Gorki bei, das in der ersten Spielzeit unter neuer Leitung gleich als „Theater des Jahres“ 2013/14 ausgezeichnet wurde. Ihre aktuellste Uraufführung Wir Zöpfe ließ im Spätwinter 2015 jedoch vieles vermissen, was frühere Arbeiten so charmant und sehenswert mache.
Muttersprache Mameloschn stammt aus der Zeit, bevor sie das Gorki-Studio übernommen hat, und wurde 2012 in der Box des Deutschen Theaters uraufgeführt. 2013 in Mülheim gefeiert und mit dem Publikumspreis ausgezeichnet, zog die scharfzüngige Komödie über eine Großmutter-Mutter-Tochter-Beziehungs-Konstellation mittlerweile von der Box auf die größere Bühne der Kammerspiele des Deutschen Theaters um und ist dort wieder ab und zu im Repertoire zu sehen.
Das Stück lebt von seinen pointierten Dialogen, mit denen sich die drei Generationen aneinander abarbeiten: Großmutter Lin (Gabriele Heinz), eine glühende Antifaschistin und Kommunistin, die nach dem Holocaust am Aufbau einer besseren Gesellschaft in der DDR mitwirken wollte und bitter enttäuscht wurde.
Die Mutter Clara (Anita Vulesica) in der undankbaren Rolle der Sandwich-Generation: sie fühlte sich von ihrer Mutter, einer gefeierten Künstlerin, vernachlässigt und möchte dies mit einem gluckenhaften Umklammern ihrer Tochter überkompensieren. Während sich Lin bei ihren Konzertauftritten und auch im privaten Leben demonstrativ zu ihren jüdischen Wurzeln bekennt und bis heute von einem Auftritt in Yad Vashem zehrt, hat Clara damit überhaupt nichts am Hut.
Die Dritte im Bunde, Rahel (Natalia Belitski), versucht verzweifelt, sich von ihrer Mutter zu lösen, nähert sich ihrer Großmutter und ihrem Judentum an und plant ein Auslandsjahr in New York. Ihr lesbisches Coming-out, das ihre Mutter fassungslos stammelnd aufnimmt, bringt das komplizierte Beziehungs-Geflecht der drei Frauen noch zusätzlich durcheinander. Männer sind in diesem Stück die Abwesenden: kurz ist von einem unzuverlässigen Liebhaber die Rede, mehrmals geht es um einen Sohn, der nach Israel gegangen ist und den Kontakt zur übrigen Familie abgebrochen hat.
Salzmann verhandelt in ihrem Text die privaten Dramen aus Nähe und Distanz in dieser Familie ebenso wie die Fragen des Weiterlebens nach dem Holocaust, des Antisemitismus und der Angst vor dem Terror. In ihrer collagenhaften Technik wird ein Aspekt kurz hingetupft, bevor sie zum nächsten Thema springt und irgendwann später wieder dorthin zurückkehrt.