Die Geschwister Eisler in Amerika: was hätte man aus diesem Stoff machen können! Charlie Chaplin verglich die Abgründe aus Misstrauen und Verrat, die sich zwischen Hanns, Gerhart und Ruth Eisler auftaten, mit Shakespeares Königsdramen.
Das wäre doch eine ideale Vorlage für Jürgen Kuttner, der mit Tom Kühnel seit 2010 jährlich eine zeithistorische Revue am Deutschen Theater inszeniert. Den beiden gelangen durchaus schon große Würfe: „Demokratie“ über die Guillaume-Affäre und die SPD-Troika Brandt/Wehner/Schmidt aus den 70ern ist ein großer Spaß mit sehr präzise beobachteten Politikerporträts und bissigen Dialogen. Das Publikumsinteresse ist so groß, dass das Stück auch weiterhin im DT-Repertoire bleibt, obwohl bereits im Januar 2015 die Dernière angekündigt war. Auch über „Der Auftrag“ nach Heiner Müller, eine Koproduktion der Ruhrfestspiele Recklinghausen und des Schauspiels Hannover, war viel Positives zu lesen. Dieser Abend war bisher leider nicht in Berlin zu sehen, aber vielleicht ja beim nächsten Theatertreffen?
Häufiger haben wir leider bei Kuttner/Kühnel auch Abende erlebt, die sang- und klanglos wieder vom Spielplan verschwanden, ohne größere Spuren zu hinterlassen. „Agonie“ in den Kammerspielen war so ein Fall. Und auch „Eisler on the Beach“ fällt eher in diese Kategorie, zu saft- und kraftlos schleppt sich der Abend dahin, weit entfernt davon, in der Liga von „Demokratie“ mitspielen zu können.
Jürgen Kuttner kommt mit Hawaiihemd, überdimensionaler Sonnenbrille und Sätzen aus dem Baukasten eines Motivations-Trainers oder Wellness-Gurus auf die Bühne. Nach diesem gewohnt ironischen Intro taucht er über weite Strecken der folgenden zwei Stunden ab. Die links und rechts postierte Bolschewistische Kurkapelle Schwarz-Rot darf auch erst nach einer halben Stunde loslegen.
Die Schauspieler Maren Eggert, Daniel Hoevels, Ole Lagerpusch, Jörg Pose, Michael Schweighöfer und Simone von Zglinicki beginnen mit einer „kommunistischen Familienaufstellung“. Die Masche, Verhörprotokolle und Zeugenaussagen der Familie Eisler vor McCarthys berüchtigtem „Ausschuss für unamerikanische Umtriebe“ in eine Bar oder zu einem Liebespaar ins Hotelzimer zu verlegen, wiederholt sich allzu oft.
Der Verfremdungseffekt allein führt noch nicht zu Erkenntnisgewinn. Mal stellen die Schauspieler die Gemälde von Edward Hopper nach. Mal sprechen sie die Verhörszenen wie in den Melodramen von Douglas Sirk. Mit ironischem Zwinkern und viel Vierziger/Fünfziger-Jahre-Kolorit hält sich die Inszenierung den brisanten Stoff vom Leib.
Statt einer intensiven Auseinandersetzung über Intrigen und Verrat in der eigenen Familie, über anti-kommunistische Paranoia im Kalten Krieg bekommen wir nur einen lauen Aufguss serviert. Ach, wie schön wäre es gewesen, einen richtigen Kuttner-Abend in Hochform zu diesen Themen zu erleben! Es blieb aber nur bei einer Pflichtübung, die er zwischen seinen beiden Volksbühnen-Video-Schnipsel-Abenden zum Karamasow-Komplex und mit dem Philosophen Slavoj Žižek einschob.
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