Traumverloren

Christopher Nell ist immer dann besonders toll, wenn er in ein Ensemble eingebettet ist: Als prominentester Kopf des Trios „Muttis Kinder“ lädt er zu wunderschönen, das Publikum begeisternden Liederabenden an. Auch als „Hamlet“ hat er in Leander Haußmanns Inszenierung am Berliner Ensemble furiose Auftritte.

Bei der Berliner Premiere von Peter Handkes „Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte von der Landstraße“ steht er jedoch die erste halbe Stunde allein auf der düsteren Bühne: einsam und traumverloren.

Auf der Landstraße, die er mit einer Mautstelle überwacht, begegnen ihm später zwar einige Figuren. Sie gewinnen aber keine klaren Konturen. Gestandene Burgschauspieler wie Martin Schwab und Maria Happel, dazu die kurzfristig für Regina Fritsch eingesprungene Meret Becker, daraus könnte ein großes Schauspielerfest. Aber die melancholische Textvorlage von Peter Handke, die Hartmut Krug im DLF als „manchmal angestrengt poetische Befindlichkeitsprosa“ empfand,  lässt ihnen kaum Raum zur Entfaltung.

Die Figuren kreuzen hin und wieder den Weg des „Ichs“ (Christopher Nell), sprechen hektisch in ihre Mobiltelefone und versinken wieder in der Niemandsbucht, aus der sie auftauchten.

Die Stimmung der aus Zeit und Welt gefallenen Hauptfigur bleibt über die drei Stunden düster. Langatmig schleppen sich die Szenen dahin, die keinem kohärenten Spannungsbogen folgen, sondern assoziativ um das Lamento der traumverlorenen Hauptfigur kreisen.

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Auf dem Bild: Christopher Nell. © Monika Rittershaus

 

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