An Simon Stones „John Gabriel Borkman“ gibt es einiges auszusetzen: Katrin Brack strapaziert die Nerven des Publikums und lässt zwei Stunden lang Schnee auf die Bühne rieseln.
Auch die Dialoge sind oft zu banal, da traf Gerhard Stadelmaier in einem seiner letzten FAZ-Rundumschläge schon einen wunden Punkt dieses Abends.
Außerdem hängt die Inszenierung in der Mitte sichtlich durch.
Warum gab es dennoch solche Jubelstürme im Haus der Berliner Festspiele? Wie ist dieses kollektive Ausrasten mit stehenden Ovationen zu erklären?
Birgit Minichmayr und Caroline Peters liefern sich ein Zickenduell mit treffsicheren Pointen. Die beiden Star-Schauspielerinnen spielen die Zwillingsschwestern Gunhild und Ella als abgehalfterte Ex-Society-Damen, die dem Glamour der 90er hinterhertrauern, von Britney Spears schwärmen und sich die Facebook-Freundschaften missgönnen.
Gunhild ist dank ihrer Alkohol- und Nikotinsucht ein neurotisches Wrack. Bei Ella wurde Krebs diagnostiziert. In einem letzten Aufbäumen ringen die beiden Müttermonster um Erhart (Max Rothbart) und versuchen, ihn auf ihre Seite zu zerren. Er sucht konsequenterweise das Weite und lässt sowohl Tante als auch Mutter sitzen.
Der Kaputteste von allen ist die Titelfigur John Gabriel Borkman: Martin Wuttke spielt ihn als eine Mischung aus Zottelbär, Rumpelstilzchen und dem „Don Giovanni“ aus Herbert Fritschs Inszenierung an der Komischen Oper.
Ein „Erkenntnissprung“, den Wolfgang Behrens in seinem Nachtkritik-Videoblog vermisst, ist an diesem Abend nicht zu erwarten. Dafür bekommt das Publikum solides Unterhaltungstheater mit glänzend aufgelegten Schauspielstars.
Zur Halbzeit eines Theatertreffens, das bisher von Buhrufen, Schiffbrüchen, Langeweile und Enttäuschungen geprägt war, ist das doch eine ganze Menge. In den Ovationen schwang deshalb auch viel Erleichterung mit.
Bilder: Reinhard Maximilian Werner