Gejagter Clown

Herbert Fritsch und sein „Don Giovanni“-Clown an der Komischen Oper Berlin

Für die Verhältnisse von Herbert Fritsch ist sein „Don Giovanni“ schon ziemlich konventionell, fast handzahm, die Vorlage von Mozart/del Ponte bleibt stets erkennbar: weit weniger groteske Körper-Verrenkungen als in seiner „Physiker“-Inszenierung in Zürich und auch keine selbstverliebt-dadaistischen Sprachspielereien wie „der die mann“ oder „Murmel Murmel“ an der Volksbühne.

Der Unterhaltungswert kommt aber auch bei seiner Mozart-Inszenierung, die am 30. November 2014 an der Komischen Oper Berlin Premiere hatte und dort am 15. April 2016 wiederaufgenommen wurde, nicht zu kurz.

Fritsch legt seine Inszenierung als muntere Verfolgungsjagd an. Im Zentrum des Abends steht Günter Papendell als wild grimassierender Clown. Ihm macht dieser Ausflug ins komische Fach sichtlich Spaß. Bei ihm ist die Titelfigur Don Giovanni kein galanter Verführer, sondern ein spitzbübischer Dauergrinser, der von den Harlekinen der Commedia dell´Arte inspiriert ist, aber auch der „Joker“ aus „Batman“ schimmert durch.

Die knapp dreieinhalbstündige Opernaufführung könnte man als wilde Verfolgungsjagd zusammenfassen: Donna Anna (Erika Roos), Don Ottavio (Adrian Strooper), Donna Elvira (Karolina Gumos), Masetto (Nikola Ivanov) und Zerlina (Anna Brull) haben einige Rechnungen mit ihm offen. Gemeinsam mit dem Chor sind sie ihm auf den Fersen, so dass sich Don Giovanni und sein Leporello (Evan Hughes) ständig neue Finten ausdenken müssen.

Mit den knallig-bunten Kostümen (Victoria Behr) und den temporeichen Verwicklungen ist Fritschs „Don Giovanni“ eine amüsante Clownerie, bis Don Giovanni nach dem Auftritt des Komturs (Alexey Antonovs) ins Grab sinkt.

Don Giovanni

Bis zum Schluss bleibt Fritsch seinem Regiekonzept treu: sein „Don Giovanni“ ist ein Clown, der mit den anderen Figuren spielt und mit dem Publikum schäkert. Als sich Vorhang zur Pause senkt, ruft er noch ein kurzes „Buh“ ins Parkett.

Diese Lesart sorgt für einen lustigen Abend, bietet aber wenig Stoff, sich intensiver mit der Figur auseinander zu setzen. Im Programmheft informiert Johannes Oertel über zwei frühere „Don Giovanni“-Inszenierungen von anderem Kaliber: Harry Kupfer legte den „Don Giovanni“ 1987 als ein „Symbol einer zutiefst menschlichen Lebenskraft“ an, der besonders den Frauen „die Eingeschränktheit ihrer Position“ bewusst macht. Er wird von einer Gesellschaft, die sich mit Stagnation und daraus folgender Selbstzerstörung abschottet bestraft. Als am Ende Balken vorgeschoben und das Loch zur Hölle versiegelt wird, konnte man das zwei Jahre vor dem Mauerfall auch als Kommentar zur Lage in der DDR lesen.

2003 stand der „Don Giovanni“ bei Peter Konwitschny allein gegen die Masse der Mitläufer in grauen Anzügen und Krawatte aufbegehrt, bis auch er als Greis vom Einheitsgrau geschluckt wurde.

Daran gemessen erscheint Fritsch Clowenerie recht eindimensional.

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Bilder: Monika Rittershaus

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