Debütfilm nach Sarah Kuttners Depressions-Bestseller
Das vielgescholtene deutsche Kino hat eine Woche nach „Schrotten!“ gleich schon den nächsten Kinostart, der sich sehen lassen kann.
Auch hier handelt es sich um einen Debütfilm: Laura Lackmann hat in Berlin und New York studiert und zuletzt am Drehbuch der ZDF-Serie „Blochin“ mitgearbeitet. Ihr erster Spielfilm „Mängelexemplar“ beruht auf dem gleichnamigen Bestseller von Sarah Kuttner aus dem Jahr 2009.
Dass diese Verfilmung gut funktioniert, liegt zum einen natürlich an der überzeugenden Hauptdarstellerin Claudia Eisinger, die schon in der Komödie „Wir sind die Neuen“ ihr Talent zeigte. Sie spielt die unter Depressionen und Panikattacken leidende Karo „durchaus angemessen mit fahrigen Bewegungen und angstverschlossenem Gesicht, auch mal herzallerliebst offen und freundlich“, wie die Frankfurter Rundschau schrieb. Eisinger schafft es, dass die Hauptfigur möglichst wenig nervt. Sicher, es gibt diese Momente, die in der Frankfurter Rundschau so beschrieben werden: „Nicht selten möchte man sie zur Seite nehmen und sie bitten, einen Gang runterzuschalten, sich einmal mit Abstand zu sehen, nicht jedes Wort von anderen als Kampfansage zu begreifen, einmal die Augen für die Umgebung zu öffnen.“
Dass Karo in diesem Film nicht allzu sehr nervt, liegt aber auch daran, dass die Regisseurin/Drehbuchautorin Lackmann eine gute Balance zwischen komischen Szenen und nachdenklich-traurigen Passagen hält. Der Film „trifft auch einen Ton, der so überzeugend zwischen laut und leise, Witz und Sarkasmus und Traurigkeit changiert, und ist überhaupt auf eine Weise lebendig, wie man sie selten zu sehen bekommt im deutschen Film“, lobte der Tagesspiegel. Ein interessanter Regie-Einfall ist, dass das Publikum die Stimmen in Karos Kopf und die pointierten Selbstgespräche aus dem Off hört.
Auch in den Nebenrollen ist der Film gut besetzt: Maren Kroymann als Therapeutin, Katja Riemann als Karos Mutter, Barbara Schöne als ihre Großmutter und Laura Tonke als die beste Freundin, die eine schummrige Eck-Kneipe in Kreuzberg betreibt und unter den Hipstern und Touristen mindestens ebenso leidet wie darunter, dass Karo sie regelmäßig als Kummerkasten missbraucht. Sie bilden ein starkes Frauenensemble.
Männer spielen in Karos Leben nur eine Nebenrolle: Philipp (Christoph Letkowski) kümmert sich mehr um seine Auftritte als DJ als um die Stimmungsschwankungen seiner Freundin und ist deshalb bald Geschichte. Sein Nachfolger ist der sensible Ex-Kollege Max (Maximilian Meyer-Bretschneider).
Der gelungene Film würde noch einen stärkeren Eindruck hinterlassen, wenn er den Mut gehabt hätte, noch öfter über den Tellerrand des piefigen Kreuzberger Milieus hinauszublicken und wenn diese rbb/arte-Co-Produktion nicht gar so penetrant als Werbestrecke für Tabakprodukte missbraucht worden wäre.
Webseite und Trailer zu „Mängelexemplar“, Kinostart: 12. Mai 2016
Bildrechte: X Verleih
Laura Tonke bekam am 27. Mai 2016 eine „Lola“ als Beste Nebendarstellerin. Außerdem wurde sie für ihre Rolle in „Hedi Schneider steckt fest“ als Beste Hauptdarstellerin des Kino-Jahres ausgezeichnet