Untergang

Große Altersrolle von Dieter Hallervorden am Schlosspark Theater

Es hat gute Gründe, warum Gerhart Hauptmanns Drama „Vor Sonnenuntergang“ heute kaum noch auf den Spielplänen steht.

Als diese naturalistische Familientragödie am 16. Februar 1932 am Deutschen Theater Berlin in der Regie von Max Reinhardt zur Uraufführung kam, stand Hauptmann als hochgeachteter Literaturnobelpreisträger auf dem Zenit seines Ansehens, die Weimarer Republik hingegen kurz vor dem Abgrund der Nazi-Barbarei.

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Diese zeitgeschichtlichen Hintergründe spielen in dem Drama „Vor Sonnenuntergang“ jedoch keine wahrnehmbare Rolle. Hier geht es um sehr private Konflikte, um den Herbst eines Familienpatriarchen und die Intrigen seiner Familie gegen ihn: Geheimrat Clausen blickt auf ein erfolgreiches Lebenswerk zurück, ist verwitwet und hat sich in eine junge Kindergärtnerin verliebt.

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Das Stück handelt von der Missgunst von Clausens Angehörigen: Es ist ihnen ein Dorn im Auge, dass das Familienoberhaupt eine neue Beziehung zu einer um Jahrzehnte jüngeren Frau beginnen und gemeinsam mit ihr in die Schweiz ziehen möchte. Vor allem aber fürchten sie um ihren Anteil am Erbe. Die Familie treibt Clausen in den Suizid, diese Eskalation wirkt „etwas arg hinkonstruiert“, wie Georg Kasch auf nachtkritik.de bemängelte.

Es gibt jedoch einen Aspekt, der diesen Abend am Schlosspark Theater in Berlin-Steglitz dennoch sehenswert macht. Hausherr Dieter Hallervorden, der dieses Theater im Jahr 2009 übernahm und mit bemerkenswerter Energie wieder auf Vordermann brachte, nutzt das alte, leicht angestaubte Hauptmann-Stück für eine große Altersrolle.

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Seine Rolle als Matthias Clausen ist eine weitere wichtige Etappe seiner künstlerischen Entwicklung – weg vom Slapstick aus der „Nonstop Nonsens“-Serie der 70er Jahre und der „Didi“-Filme der 80er Jahre hin zum Charakterfach. Wie in seinen beiden Kino-Erfolgen „Sein letztes Rennen“ und „Honig im Kopf“ spielt Hallervorden einen melancholischen, altersweisen Mann, der alle Höhen und Tiefen des Lebens durchschritten hat.

Bemerkenswert ist an dieser Inszenierung auch die interessante Zusammensetzung des Ensembles: Einige wie Franziska Troegner (als Frau Peters, Mutter der Kindergärtnerin) und Harald Effenberg (als Wolfgang Clausen, Sohn des Patriarchen) waren schon feste Größen in „Hallervordens Spott-Light“. Andere wie z.B. Katharina Schlothauer (als die junge Geliebte Inken Peters) kommen aus ganz anderen Zusammenhängen, sie sammelte ihre ersten Erfahrungen bei Christoph Schlingensief an der Volksbühne („Kunst und Gemüse“).

„Vor Sonnenuntergang“ hatte am 16. Januar 2016 Premiere, die Vorstellungen sind regelmäßig ausverkauft.

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Bilder-Copyright: DERDEHMEL/Urbschat

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