Untergang Europas

„Vor der Morgenröte“: gescheiterter Versuch einer Annäherung an Stefan Zweig

In ihrer zweiten großen Regiearbeit nach „Liebesleben“ (2007) widmet sich die Schauspielerin Maria Schrader den letzten Lebensjahren des Schriftstellers Stefan Zweig.

Bewusst entschied sie sich gegen ein klassisches Biopic, das brav den einzelnen Lebensstationen folgt. Gemeinsam mit ihrem Co-Drehbuchautor Jan Schomburg entschied sie sich dafür, sechs Episoden aus seinen Jahren im Exil zwischen 1934 und  1942 zu verfilmen.

Dieser Ansatz ist klug gewählt. Schrader und Schomburg, die schon bei „Vergiss mein Ich“ zusammengearbeitet haben, fehlt jedoch ein glückliches Händchen bei der Auswahl markanter Szenen.

Die sechs Kapitel kommen bewusst unaufgeregt und in sehr langsamem Erzähltempo daher, verharren aber zu oft in Banalitäten des Alltags. Am eindrucksvollsten ist das erste Kapitel: Zweig war 1936 zum PEN-Kongress in Buenos Aires eingeladen. Die Presse und die anwesenden Schriftsteller erwarteten von dem weltberühmten Kollegen ein flammendes Plädoyer gegen Hitlers Rüstungspolitik und Antisemitismus. Der österreichische Schriftsteller beharrte darauf, sich nicht vereinnahmen zu lassen: „Jede Widerstandsgeste, die kein Risiko in sich birgt und keine Wirkung hat, ist nichts als geltungssüchtig.“

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In dieser Episode gelingt es dem Film „Vor der Morgenröte – Stefan Zweig in Amerika“ noch recht gut, dem Zuschauer wesentliche Merkmale vom Charakter der Hauptfigur und der ihn prägenden Werte zu vermitteln. Den weiteren Kapiteln fehlen klare Konturen. Sie kreisen zu eintönig um die wachsende Verzweiflung des Autors, die schließlich in seinen im Epilog angedeuteten Suizid mündete.

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Eine tiefe Melancholie legt sich über die Bilder prächtig ausgestatteter historischer Kostüme und brasilianischer Landschaftsaufnahmen. „Leerstellenhaft“, wie die ZEIT schrieb, schleicht der Film um sein Thema. Stilistisch konnte mich das nicht überzeugen, auch wenn es in  manchen Kritiken wie hier hymnisch bejubelt wird.

Bemerkenswert ist an diesem Film noch, dass der österreichische Kabarettist Josef Hader eine sehr unerwartete Besetzung für die Hauptrolle als Stefan Zweig ist. Abseits der Kleinkunstbühnen kennt man ihn bisher vor allem als Privatdetektiv Brenner in den Verfilmungen der schwarzhumorig-skurrilen Romane von Wolf Haas. Von der grüblerischen Introvertiertheit Stefan Zweigs, der am tiefen Fall Europas in Nazi-Barbarei und Kriegswirren litt, sind seine bisherigen Rollen ein ganzes Stück entfernt.

„Vor der Morgenröte – Stefan Zweig in Amerika“ startet am 2. Juni 2016 in den Kinos. Webseite und Trailer zum Film

 Bildrechte:  © X Verleih

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