Wenn eine Seminargruppe die Ästhetik von Robert Wilson studieren möchte, sind „Shakespeares Sonette“, die er mit Rufus Wainwright am Berliner Ensemble inszenierte, ein besonders gutes Anschauungsobjekt.
Stark geschminkte Figuren laden mit ihren stilisierten Bewegungen in eine märchenhafte Parallelwelt ein. Wenn die Schauspieler nicht selbst über die Bühne schreiten, wackeln und zappeln, werden sie als Schattenspiele an die Wand projiziert.
Wie immer bei Wilson ist das sehr kunstfertig gemacht und auch heute ist noch spürbar, wie innovativ und spannend sein Regiestil wirken musste, als er ihn in den 70ern ausprobierte und in den 80ern/frühen 90ern zur Meisterschaft entwickelte.
Da Wilson seine Handschrift an diesem Abend fast schon überdeutlich wie in einer Vitrine ausstellt, droht seine Inszenierung von „Shakespeares Sonette“ zur Selbst-Parodie zu werden. Um dies zu verhindern war es ein Glücksgriff, dass Georgette Dee in den Pausen auf gewohnt schnoddrige Art für ironische Brechungen sorgt.

Robert Wilson and Rufus Wainwright creating the Berliner Ensemble production of Shakespeare«s Sonnets , April 2009
Auch die übrige Besetzung ist ein androgynes Schauspielerfest: Es ist erstaunlich, zu welchen hohen Tönen Christopher Nell fähig ist. Gemeinsam mit den beiden anderen Ladies (Dejan Bućin und Sabin Tambrea) tänzelt er über die Bühne. Angela Winkler mischt sich immer wieder als „Fool“ ein und Jürgen Holtz verleiht seiner Queen Elisabeth auch im Reifrock und mit rausgestreckter Zunge die nötige Würde.
Die opulenten Kostüme und die Choreographien lassen teilweise vergessen, worum es an diesem Abend auch geht: um die Vertonung von 25 ausgewählten Sonetten Shakespeares, die Rufus Wainwright mal im Brecht/Weill-Sound untermalt und mal verspielt umkreist.
Bilder: © Lesley Leslie-Spinks