Dieser „Richard III.“ ist ein wahrer Horrorclown. Nein, er springt nicht hinter der nächsten Ecke hervor und erschreckt mit Joker-Schminke Passanten, wie es im jüngsten, aus Amerika herübergeschwappten Hype Mode geworden ist. Wenn es ihm bei seinen Intrigen und Machtspielchen helfen würde, würde er aber vermutlich auch das tun.
Dieser „Richard III.“, Herzog von Gloster, ist ein anderes Kaliber eines Horrorclowns. Als Rampensau turnt er fast drei Stunden um seine Verwandtschaft herum: er grimassiert, spottet, buckelt, hüpft und bellt.
Jörg Pohl spielt das alles mit vollem Körpereinsatz und hohem Unterhaltungswert. Dafür erntet er verdiente Ovationen des Premieren-Publikums. Vor allem in der zweiten Hälfte genießt er seine Rolle sichtlich: er thront ganz allein auf der überdimensionalen Trommel, die er ins Zentrum der sonst meist leeren Bühne schiebt.
Wie ein trotziges kleines Kind, das seinen Willen bekommen hat, triumphiert er, bis es mit ihm steil bergab geht. Erst wird er von seiner Mutter (Victoria Trautmannsdorff) verdroschen, dann ist auch noch die mühsam durch Auftragsmorde und Intrigen erkämpfte Königswürde futsch.
Am Ende steht dieser Richard als einsamer Clown mit trauriger Gestalt da. Da Antú Romero Nunes und sein exzellentes Ensemble den gesamten Abend als Komödie anlegt, fehlt ihm die Fallhöhe klassischerer Inszenierungen von Shakespeares berühmtem Königs-Drama.
Dieser „Richard“ gleicht weniger dem Frank Underwood aus „House of Cards“, auf den der Regisseur im Programmheft anspielt: Jörg Pohl ist als quicklebendige Springteufel ist zwar auch mit einigen Wassern gewaschen. Er wirkt aber bei weitem nicht so diabolisch. Die Mittel, die er einsetzt, wirken weniger subtil, meint auch Alexander Kohlmann (Deutschlandradio Kultur).
Dieser „Richard“ erinnert eher an Lars Eidingers große Schaubühnen-Show, die dort seit Februar 2015 ein großer Renner ist und meist schon eine Stunde nach dem Vorverkaufs-Start ausverkauft. Mit seinem Bellen, Springen und Grimassieren gibt Pohl dem Affen noch mehr Zucker als Eidinger. Seine Interpretation der Rolle ist durchaus eigenständig, scheint aber vor allem in der Schlüsselszene mit Lisa Hagmeister (hier als Lady Anne, an anderen Stellen des Abend mit mehreren beeindruckenden Lady Margaret-Verwünschungs-Soli) sehr stark von Thomas Ostermeiers Schaubühnen-Inszenierung inspiriert. In bester Eidinger-Tradition lässt auch Pohl hier die Hosen runter, während er um Anne wirbt und mit ihr ringt.
Lohnt sich der Abend?
Langanhaltender Premierenapplaus für Antú Romero Nunes, einen der besten Regisseure der jüngeren Generation, und vor allem für seinen Hauptdarsteller. Das Publikum geht gut unterhalten nach Hause oder zur Feier im Mittelrang-Foyer, aber mit der berechtigten Anmerkung von Dierk Haasis auf Twitter:
Bilder: Krafft Angerer