„Man stirbt und bis dahin ist die Frage, ob man einigermaßen geschmackvolles Theater gemacht hat“, geben uns die drei Cowboys in ihren knallroten Strampelanzügen-Overalls mit auf den weiteren Lebensweg.
Können René Pollesch und sein Trio Milan Peschel, Trystan Pütter und Martin Wuttke diesen Anspruch einlösen? Durchaus, ja, zumindest einigermaßen.
Der insgesamt dreistündige, durch eine längere Pause unterbrochene Doppelabend beginnt im Breitwand-Kino-Format: die drei lassen sich zu bombastischen Hollywood-Klängen von einem Kran abseilen und finden sich vor einer Holzwand wieder. Sie beginnen wild durcheinander zu reden, spielen auf diverse amerikanische Filme an (z.B. auf die pubertäre „Hangover“-Trilogie von Todd Philipps, auf „Ehemänner/Husbands“ von John Cassavetes aus der frühen „New Hollywood“-Ära (1970) oder auf die „Drei Amigos“-Western-Komödie mit Steve Martin, die 1986 Genre-Klassiker wie „Die glorreichen Sieben parodierte).
Die Starschauspieler bieten dem vor sich hinglucksenden Volksbühnen-Publikum ein Boulevardtheater für Theater- und Kulturwissenschaftler: ohne großen Überraschungseffekt, da man die Assoziationsketten und Diskursschleifen so ähnlich auch schon bei anderen Pollesch-Abenden gesehen hat, und auch mit einigen Längen, aber mit netten Insider-Gags. Die Fangemeinde auf dem harten Asphaltboden, die bei der vierten Aufführung der neuen Produktion jedoch schon deutlich dezimiert ist und nach der Pause weiter bröckelt, ist jedenfalls begeistert.
Vor allem ist es ein Abend über das „Nicht-Verstehen“ und über den Verlust eines festen Ortes. Diese Leitmotive durchziehen den Doppel-Abend „Diskurs über die Serie und Reflexionsbude (Es beginnt erst bei Drei), die das qualifiziert verarscht werden great again gemacht hat etc. Kurz: Volksbühnen-Diskurs“, der aus „Teil 1: Ich spreche zu den Wänden“ und „Teil 2: Es beginnt erst bei Drei“ besteht.
Martin Wuttke, der als „Arturo Ui“ am Berliner Ensemble berühmt wurde und dem breiten TV-Publikum als Leipziger „Tatort“-Kommissar, wo er an der Seite von Simone Thomalla unterfordert war, bekannt wurde, würde sicher an jedem Haus mit Handkuss aufgenommen. Er bekennt sich in einem langen, wehmütigen Monolog zur Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, die ihm eine künstlerische Heimat und „Arbeitszusammenhänge“ biete, die er sonst nirgends finde.
Zu Walzer-Seligkeits-Klängen zappeln Peschel, Pütter und Wuttke eine Persiflage auf das moderne Tanztheater auf die Volksbühnen-Bretter. Mit dem Holzhammer kommt die Botschaft an: Chris Dercon steht vor der Tür. Nächstes Jahr werdet ihr auf unsere Clownerien verzichten müssen und nur noch internationale Tanz-Performance-Kollektive sehen.
Plakatmotive: LSD / Lenore Blievernicht für die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz