Around the World in 14 films Teil IV

Das Abschlusswochenende des 11. „Around the World in 14 Films“-Festivals 2016 hatte noch einige Highlights zu bieten:

„Rabin, The Last Day“ (Israel)

Amos Gitai nimmt uns mit in die aufgeheizte Stimmung in Israel Mitte der 90er Jahre. Nach dem Oslo-Abkommen mit PLO-Führer Jassir Arafat schoss sich die israelische Rechte auf Premierminister Jitzchak Rabin und seinen Außenminister Shimon Peres. Die Weltgemeinschaft feierte die beiden israelischen Staatsmänner für ihren mutigen Schritt, Arafat die Hand zum Dialog zu reichen und über Autonomie für die Palästinenser zu verhandeln. 1994 wurden alle drei Partner, die das Oslo-Abkommen unterzeichnet hatten, mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Im eigenen Land wurden Rabin und Peres als Verräter beschimpft, bespuckt und angefeindet. Neben der Siedlerbewegung und fanatischen Rabbinern, die gegen die Preisgabe heiliger Stätten wetterten, goss vor allem die Likud-Opposition unter Führung des heutigen Premiers Benjamin Netanjahu Öl ins Feuer.

In einer gelungenen Mischung aus dokumentarischem Archivmaterial und nachgespielten Szenen führt der Amos Gitais Film „Rabin, The Last Day“ in die damaligen Debatten ein, die den Nährboden für den Mordanschlag von Yigal Amir am Samstag, 4. November 1995, nach einer großen Kundgebung in Tel Aviv bereiteten.

Vor allem geht es Gital darum, die frustrierende Arbeit einer Untersuchungskommission nachzuzeichnen, die auf zahlreiche Ungereimtheiten stieß: Warum waren die Sicherheitsvorkehrungen an jenem Abend so lax? Der Kommission wurde jedoch sehr deutlich signalisiert, dass ihr Auftrag begrenzt war und sie nicht zu tief bohren sollten.

Während der knapp 2,5-Stunden konfrontiert Gitai sein Publikum mit zahlreichen Namen, Daten und Fakten, vor allem in den hektischen Diskussionen des Mittelteils auch ziemlich staccatoartig. Dennoch gelingt es ihm, sein Material zu einem packenden Politdrama zu verdichten.

„Rabin – The Last Day“ hatte im Wettbewerb des Festivals von Venedig im September 2015 Premiere. Verena Lueken war in der FAZ damals in ihrem Festivalbericht begeistert, dass Gitai der wachsenden „Enttäuschung über vieles matt Fiktionale, über Ausgedachtes und Halbgegartes“  dieses Dokudrama entgegensetzte. Ein Kinostart ist bisher nicht vorgesehen.

„Abluka/Frenzy“ (Türkei)

Auch Emin Alpers düstere Zukunftsvision „Abluka/Frenzy“ hatte bereits im September 2015 beim Festival in Venedig seine Premiere und wartete bisher vergeblich auf einen Kinostart.

Der zweite Film des türkischen Regisseurs ist an manchen Stellen dramaturgisch noch etwas holprig, vor allem in der zweiten Hälfte gelingen ihm jedoch beeindruckende Bilder aus dem alptraumhaften Istanbul einer nahen Zukunft.

Terrorabwehr und Geheimschutz haben die Stadt, die in einer Mischung aus abstoßenden Grau-, Braun- und Schwarztönen gefilmt ist, mit einem Netz aus Spitzeln überzogen. Als einer von ihnen wurde auch der Häftling Kadir (Mehmet Özgür) angeworben, der sich auf den Deal einlässt, früher zur Bewährung freizukommen, wenn er Informationen über terrorverdächtige Nachbarn liefert.

Die Figuren ersticken in einem Geflecht aus Paranoia, hier kann keiner mehr keinem trauen. Alper verknüpft geschickt reale Vorkommnisse wie die Anordnung der Stadtverwaltung Istanbuls, streunende Straßenhunde zu erschießen, mit der in eine Parabel gekleideten Kritik am autoritären Kurs Erdogans, der vor allem seit den Gezi-Park-Protesten 2013, die sich seit der Uraufführung des Films dramatisch weiter zugespitzt hat.

Nach seinem Debüt „Beyond the hill“, der 2012 im Forum der Berlinale mit dem Caligari-Preis ausgezeichnet wurde und auch in seiner türkischen Heimat mehrere Auszeichnungen erntete war auch „Frenzy“ mit zwei Preisen (dem Spezialpreis der Jury und dem Premio Arca CinemaGiovani) in Venedig 2015 erfolgreich.

Die dreiköpfige Jury zeichnete „Frenzy“ als besten Film des „Around the World in 14 films“-Festivals 2016 aus.

Bild: Regisseur Emin Alper (c) ATWi14F 2016, Fotos: André C. Hercher

„About Love“ (Russland)

Nach dem tiefpessimistischen türkischen Film gab es zum Abschluss die unterhaltsame, federleichte Komödie „About Love“.

Die armenisch-russische Regisseurin Anna Melikyan fiel 2008 mit ihrem Panorama-Eröffnungsfilm der Berlinale auf: „Rusalka/Mermaid“ war ein sehr eigenwillig-versponnener Film, der mit russischen Mythen und Märchen spielt. Ihr Werk wurde damals mit dem FIPRESCI-Preis der internationalen Filmkritik geehrt und auch auf weiteren Festivals ausgezeichnet.

Seitdem ist es etwas stiller um sie geworden. „About Love“ war eigentlich nur als kleines kommerzielles Projekt geplant, das der Regisseurin helfen sollte, weitere, schwerer zugängliche Kunstfilme zu drehen. Laut russianfilm.blogspot.de wurde der Film in nur 25 Tagen produziert. Auf dem Festival in Sotschi war der Film mit zwei Preisen ein so großer Überraschungserfolg, dass er nun auch in Berlin präsentiert wurde.

Melikian präsentiert fünf filmische Kurzgeschichten über die Liebe, die auf spielerische Art und sehr humorvoll mit ihrem Thema umgehen, jedoch alle einen bittersüßen Nachgeschmack wirken lassen, wie das erwähnte Fach-Blog zum russischen Kino zurecht schreibt.

Die kleinen Stories sind für vielfältige Interpretationen offen. Filmpatin Sonja Heiss (Regisseurin von „Hedi Schneider steckt fest“) berichtete in ihrer Einführung von ihrer eigenen Lesart, die oft deutlich vom Infomaterial des Produktionsteams abwich. Auch das macht den Charme dieses Films aus.

Ausblick/Weitere Filme

Im Rahmen des Festivals wurden außerdem die drei in Cannes preisgekrönten Filme „The Salesman“ von Asghar Farhadi (Iran), „Personal Shopper“ von Olivier Assayas (Frankreich) und „Einfach das Ende der Welt“ von Xavier Dolan (Kanada) sowie „Certain Women“ der US-amerikanischen Independent-Regisseurin Kelly Reichardt präsentiert. Über diese Filme werde ich zum jeweiligen Kinostart berichten.

Webseite zum 11. Festival „Around the World in 14 films“ 2016

2 thoughts on “Around the World in 14 films Teil IV

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