Pfusch

„Schön!“ seufzen die Schauspielerinnen und Schauspieler in ihren Rüschenkleidchen auf der Bühne. „Schön!“ schreiben sie auch auf die große, pechschwarze Abwassserröhre, aus der einer nach dem anderen zu Beginn herauskrabbelt: Schüchtern stehen sie auf der großen Bühne, stupsen sich gegenseitig an. die Bühnenprofis spielen ihre Verlegenheit.

Die meisten Feuilletons rutschten vor Anbetung fast schon auf den Knien. Schon anderthalb Stunden vor Beginn hoffte eine Menschentraube auf ihr Losglück bei den Restkarten. Aus dem Publikum kommt während der dadaistischen Bühnen-Performance immer wieder vergnügtes Glucksen. Ist der Abend wirklich so „Schön!“?

Umwerfend „Schön!“ ist dieser „Pfusch“-Abend nicht. Herbert Fritsch und sein Ensemble bieten eine nette Spielerei, die sich selbst genug  und an einigen Stellen zu sehr in die Länge gezogen ist. Es ist schon hübsch, Wolfram Koch und seinen Mitstreitern dabeizuzusehen, wie sie ihr schwarzes Abwasserrohr über die Bühne rollen, auf ihr herumturnen und fast wortlos Grimassen schneiden.

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Anschließend dirigiert Ingo Günther ein Achtel-Staccato-Konzert, das Peter Laudenbach in der Süddeutschen Zeitung treffend als „Minimal-Art-Terror“ bezeichnete. Mit panisch aufgerissenen Augen hämmern sie auf den Klavier-Tasten herum.

Der Abend endet mit einem kollektiven Springen vom Ein-Metter-Brett ins Schaumstoffbad. Das Ensemble frönt seiner Lust am Slapstick. Auch hier ist wieder einiges zum Schmunzeln dabei. Der Abend eignet sich gut als launiges, bereits ausverkauftes Silvester-Programm, hebt aber nicht richtig ab, sondern kommt über Variationen seiner Grundmotive nicht hinaus.

Am Ende tritt einer nach dem anderen an die Rampe, winkt kurz ins Publikum und sagt zum Abschied leise „Tschüss!“, bevor der Eiserne Vorhang donnernd herunterfällt. Der Grabenkampf um die Zukunft der Volksbühne zwischen dem Renner/Dercon-Lager und den Lederer/Castorf-Anhängern tobt seit Monaten weiter. Fritsch hat sich bereits entschieden: er sagt der Volksbühne Adieu, egal was kommen mag, und wird ab der nächsten Spielzeit an der Schaubühne am Lehniner Platz eine neue künstlerische Heimat finden.

„Pfusch“ hatte am 24. November 2016 an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Premiere. Weitere Termine

Gestaltung: © LSD/Leonard Neumann

Foto: © LSD/Lenore Blievernicht

Update vom 7. Februar 2017: Die Inszenierung wurde zum Berliner Theatertreffen 2017 eingeladen

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