Peng! Peng! Boateng!

Ein Abend über drei Brüder, zwei Fußballstars und einen Weltmeister: so könnte man „Peng! Peng! Boateng!“ zusammenfassen.

Nicole Oder entwickelte mit ihrem Ensemble einen spannenden Mix aus Dokumentartheater, Fußballer-Biographie, Brennpunkt-Studie und Hip-Hop-Choreographie für die Probebühne des Heimathafens Neukölln – versteckt in einem Hinterhof fast direkt am Hermannplatz.

Wie zwei Jungs beim Auto-Quartett lesen sich die beiden Hauptdarsteller Tamer Arslan als Kevin-Prince Boateng und Nyamandi Mushayavanhu als Jérôme Boateng gegenseitig ihren Marktwerkt vor. Wie unter dem Brennglas wird in der letzten, stärksten Szene deutlich, wie gegensätzlich sich die Lebens- und Karrierewege der beiden hochbegabten Fußballstars auseinander entwickelten.

pengpengboatengcverenaeidel_05

Anfangs hatte der selbstbewusste, anderthalb Jahre ältere Kevin-Prince die Nase vorn. Aus dem Wedding kämpfte er sich in die Premier League zu den Tottenham Hotspurs, spürte aber den Ehrgeiz von Jérôme im Nacken. 2009 waren beide fast auf Augenhöhe und wähnten sich kurz davor, sich einen großen Traum zu erfüllen: mit der deutschen U21-Nationalmannschaft Europameister zu werden.

Kevin-Prince wurde unmittelbar vor dem Turnier als Kapitän abgelöst und ganz aus dem Kader geworfen, der diszipliniertere Jérôme gewann mit Neuer, Hummels, Özil, Khedira nicht nur den EM-Titel, sondern reifte mit dieser „goldenen Generation“ auch zu Stützen der Weltmeister-Mannschaft von 2014.

Bei welchem Verein Kevin-Prince Boateng heute spielt, wissen nur noch Fußball-Insider: nach weiteren Eskapaden fiel sein Marktwert steil nach unten, derzeit kickt er auf Mallorca bei UD Las Palmas. Jérôme Boatengs Marktwert schoss hingegen so steil in die Höhe, dass er sich eine Villa in der noblen Nachbarschaft des Münchner Vororts Grünwald leisten kann, von der Alexander Gauland wohl nur in seinen Träumen neiderfüllt phantasieren kann.

Nicole Oder bewies ein glückliches Händchen bei ihrer Besetzung: den „Bad Boy“ aus dem Wedding spielt Tamer Arslan, der dem Berliner Publikum vom Ballhaus Naunynstraße-Knaller „Verrücktes Blut“ und aus seiner Zeit in Shermin Langhoffs Gorki Theater-Ensemble bekannt ist, zuletzt in „Homeland“ zu sehen war. Er spielt den Kevin-Prince als selbstbewusst-schnoddriges „Ghettokind“ (O-Ton), das sich im Käfig auf dem Fußballplatz austobt und nach oben arbeitet. Tamer Arslan spielt den Fußballer, der vor allem für seine Tattoos und sein Foul an Ballack kurz vor der WM 2010 bekannt ist, als Kraftpaket voller Testosteron, das ständig sein Revier markiert und dabei seine Unsicherheit überspielt. Auf der Zielgeraden des Stücks darf Arslan in seinem „Fickt euch!“-Monolog die verletzliche Seite hinter der rauhen Schule zeigen.

boateng

Seinen Gegenpart spielt Nyamandi Mushayavanhu, der während des Studiums erste Erfahrungen an Oliver Reeses Frankfurter Schauspiel sammelte und neu in Berlin angekommen ist. Er spielt den Jérôme als feingliedrigen, schüchternen Jungen aus dem gutbürgerlichen, etwas spießigen Wilmersdorf, der respektvoll zu den beiden älteren Brüdern George und Kevin-Prince aufschaut.

An ihrer Seite spielt Daniel Mandolini, mehrfacher deutscher Beatboxing-Meister, den George: wir erfahren, dass er als das größte Fußball-Talent der Familie galt, aber früh auf die schiefe Bahn geriet. Raphael Hillebrand studierte mit seinen Jungs Choreographien mit Elementen aus Breakin´, Popping und Locking ein (die im Programm-Flyer genau erklärt werden) und schlüpft in die übrigen Rollen z.B. des Trainers, der Kevin-Prince Boateng vor der EM ausbootete.

„Peng! Peng! Boateng! – Drei Brüder zwischen Wedding, Wilmersdorf und Weltfußball“ ist sehenswertes Fußball-Dokumentartheater, die in beiden Welten positiv aufgenommen wurde: sowohl beim Theater-Portal nachtkritik.de als auch beim Fußball-Fachmagazin 11 Freunde.

Die Biographien der Brüder werden so skizziert, dass Fußball-Laien problemlos folgen können, aber auch die heimlichen Bundestrainer, die jedes Wochenende im Stadion mitfiebern, auf ihre Kosten kommen. Zwischen all den Hip-Hop und Beatbox-Einlagen gibt es auch erstaunlich viele ruhige Momente, in denen Nicole Oder und ihre Crew gerne noch etwas mehr Gas geben könnten.

„Peng! Peng! Boateng!“ basiert auf dem Buch „Die Brüder Boateng. Drei deutsche Leben zwischen Wedding und Weltfußball“ von Michael Horeni und wurde am 18. Dezember 2016 im Pier 9, der Probebühne des Heimathafen Neukölln, uraufgeführt. Weitere Informationen und Termine

Bilder: Nr. 1 und 2 von Verena Eidel, Nr. 3 von Konrad Kögler

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert