Una mujer fantástica
Das chilenische Kino setzte auf den internationalen Festivals starke Akzente: Pablo Larraín, der diesen Film koproduzierte, ist nach starken Filmen wie „El Club“ (Silberner Bär bei der Berlinale 2015, Kritik) mittlerweile in Hollywood angekommen. Die beiden Panorama-Beiträge aus Chile gehörten zu den besten Filmen des schwachen Berlinale-Jahrgangs 2016 (Kritik). Mit „Gloria“ war Regisseur Sebastián Lelio ein Liebling der Berlinale 2013, seine Hauptdarstellerin gewann damals einen Silbernen Bären.
Die Vorfreude auf seinen neuen Film „Una mujer fantástica“ war groß, endete aber in einer Enttäuschung. Das Drama um die transsexuelle Sängerin Marina (Daniela Vega), die nach dem Tod ihres zwanzig Jahre älteren Liebhabers Orlando (Francisco Reyes) schleppt sich mit zu vielen Längen arg konventionell dahin.
Bild: Berlinale
Die Polizei ermittelt gegen sie und unterzieht sie peinlichen, demütigenden Prozeduren, da sie nach der Herzattacke und einem Sturz auf der Kellertreppe einen gewaltsamen Tod nicht ausschließt. Die konservative Industriellenfamilie, die Orlando für seine Geliebte verlassen hat, mobbt und beschimpft Marina und verbietet ihr sogar, zur Beerdigung zu kommen.
Update vom 17. Februar 2017: „Una mujer fantástica“ wurde mit dem TEDDY Award für den besten queeren Spielfilm der Berlinale ausgezeichnet.
Weiteres Update vom 18. Februar 2017: Sebastián Lelio und Gonzalo Maza wurden mit einem Silbernen Bären für das Beste Drehbuch ausgezeichnet.
Mein wunderbares West-Berlin
Der Dokumentarfilmer Joachim Hick gehört zu den Stammgästen im Panorama der Berlinale. „Ich kenn keinen“ (2003) oder „Out in Ost-Berlin“(2013) waren spannende Expeditionen, die deutsch-deutsche Zustände genau beobachteten und amüsant kommentierten.
Bild: Berlinale
Das Konzept seines neuen Films „Mein wunderbares West-Berlin“ klang vielversprechend. Auf der Habenseite sind sehenswerte Archivaufnahmen von den Diskussionen der HAW oder der Hausbesetzerszene zu verbuchen, die interessante Einblicke in das Denken und Handeln der damaligen Protestkultur gaben. Klug ausgewählt sind auch die rbb-Abendschau-Ausschnitte aus den 70ern und 80ern, die sich mit spießbürgerlicher Empörung echauffieren. Gut ist auch die beklemmende, fast panische Stimmung eingefangen, die AIDS in den 80ern auslöste.
Der Film gleitet aber zu oft ins Anekdotische ab: Wieland Speck, Leiter des Panorama, zeigt seine Porno-Sammlung bei der Auflösung seiner Schöneberger Kommune. Udo Waltz und Rolf Eden plaudern im Café. Zu kurz kommt Romy Haag, die nur wenige Augenblicke von ihrer Zeit mit David Bowie und ihrem legendären Club berichten darf. Kurz vor Schluss ist sie noch mal vor der Kamera und darf Jochen Hick am Rande einer Gala schnippisch vorhalten, dass er damals in den 80ern nur bei Kurzbesuchen in West-Berlin dabei war, da er ein Film-Studium in Hamburg dem Leben in der Kreuzberger und Schöneberger Alternativ-Szene vorzog.
Alien
Wenn die aktuellen Filme enttäuschen, ist die Retrospektive ein guter Rettungsankerr. Diese Sektion lohnt sich in diesem Jahr besonders: unter dem Titel „Future Imperfect. Science · Fiction · Film“ ist eine sehenswerte Mischung aus Klassikern und Raritäten versammelt.
Zum Abschluss des Kinowochenendes sorgte das „Alien“ von Ridley Scott für einen vollen Saal. Die Publikationen über diesen Meilenstein der Filmgeschichte und seine verschiedenen Facetten aus soziologischer, gendertheoretischer und cineastischer Perspektive füllen bereits zahlreiche Regalmeter in den Bibliotheken.
Interessant klangen auch zwei tschechoslowakische Werke:
- „Ikarie XB 1“ (1963) nach einem Roman von Stanislaw Lem. Nach Aussage seines Assistenten ließ sich Stanley Kubrick bei der Vorbereitung auf „2001 – Odyssee im Weltraum“ (1968) davon inspirieren.
- die „Mockumentary“ „Ropáci/Ölfresser“, die 1988 die Umweltzerstörung durch die maroden Industrieanlagen in Nordböhmen anprangerte
Plakatmotiv: Velvet Creative Office © Internationale Filmfestspiele Berlin