Feminista, Baby!

Bernd Moss, Markwart Müller-Elmau und Jörg Pose, drei altgediente, ehrbare Ensemble-Mitglieder des Deutschen Theaters Berlin, entblättern sich umständlich bis auf die Unterhosen, schlüpfen in weiße Kleider im Stil von Marilyn Monroe, dem ikonischen Sex-Symbol der 60er Jahre, und sprechen abwechselnd Passagen eines längst vergessenen Pamphlets aus der aufgewühlten Endphase dieses Jahrzehnts: „SCUM Manifesto“ ist der wütende Aufschrei von Valerie Solanas überschrieben. Darin rechnet sie mit zwei verdammungswürdigen Gruppen ab: den Männern (ausnahmslos allen) und der großen Mehrheit der Frauen, die nicht rebellieren, protestieren, Gesetze brechen, bis zum Äußersten gehen und mit ihr gemeinsam den verhassten Kapitalismus abschaffen wollen.

Die Debatte zum Verhältnis der Geschlechter hat sich zum Glück längst wesentlich differenzierter entwickelt und Valerie Solanas wäre wohl längst vergessen, wenn die psychisch labile Frau nicht ein sehr schwieriges Verhältnis zu Andy Warhol, einer weiteren Popkultur-Ikone jenes Jahrzehnts, gehabt hätte, das in einen Mordversuch mündete. Dieser Vorfall spielt in der Performance „Feminista, Baby!“, die das bewährte Regie-Duo Tom Kühnel/Jürgen Kuttner, entwickelt hat, jedoch keine Rolle.

In den 90 Minuten wird nicht klar, warum die beiden das Pamphlet aus der Gruft hervorgeholt haben. Der eingangs erwähnte Travestie-Gag mit den Herren in ihren Kleidchen wird auch derart zu Tode geritten, dass man über den Abend besser schnell den Mantel des Schweigens breitet. Jürgen Kuttner (mit glitzerndem FAMINIST-Shirt) hielt sich diesmal erstaunlich im Hintergrund und beschränkte sich auf Playback-Auftritte zur Tonspur der „Hexen aus Eastwick“.

Feminista, Baby!

Einige gute Ansätze gab es an diesem Abend aber doch noch: Jo Schramm stellte eine Doppelhelix als Blickfang in den Bühnenmittelpunkt. Diese Konstruktion hatte zwar nur die Funktion, dass in ihrem Zentrum der Musiker Andreas Spechtl thronen und die drei Marilyns darauf herumturnen können, er ist aber schön anzusehen und wurde von zahlreichen Handykameras abgelichtet. Ein zweites Plus sind die eingestreuten Songs von Christiane Rösinger, die zwischen Zorn und subtilem Spott changieren. Wer ihr Konzert vor einigen Monaten im HAU verpasst hat, bekommt an diesem Abend ausreichend Gelegenheit, ihre Lieder zu hören, die aber unverbunden neben der sonstigen Handlung stehen.

Feminista, Baby!

Der dritte gute Ansatz und stärkste Moment dieses Abends ist die Synchronisierung der legendären Elefanten-Runde am Wahlabend 2005, als der mit Testosteron vollgepumpte Gerhard Schröder mit Wolfsgrinsen über die angeschlagene Angela Merkel herfiel, die die höhnischen Kommentare mit scheuem, immer irritierterem Lächeln über sich ergehen ließ und anschließend bekanntlich doch ins Kanzleramt einzog. Im Stil des österreichischen Maschek-Duos lassen Kuttner/Kühnel ihre Schauspieler einige Passagen zum Geschlechterverhältnis erstaunlich lippensynchron sprechen, während auf der großen Leinwand die Debatte des Macho-Alphatiers und seiner unprätentiöseren Gegnerin flimmert. Daraus entstehen witzige Kontaste, kuriose Brüche und kluge Überschreibungen, die aber – wie so vieles an diesem Abend – im Nichts enden. Wie lohnend und lustig wäre es gewesen, diesem Pfad weiter zu folgen.

Bilder: Arno Declair

 

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