Die Steilvorlagen aus dem politischen Berlin nutzt das Team des kabarettistischen Jahresrückblicks natürlich: wenn es um das Jamaika-Aus geht, sind Bov Bjerg, Horst Evers, Hannes Heesch, Christoph Jungmann und Manfred Maurenbrecher ganz in ihrem Element.
Einer der besten Momente des Abends ist die Parodie von Christian Lindner: Hannes Heesch widmet sich – gespickt mit Versatzstücken ökonomischer und liberaler Theorien – dem Zitat, dass es besser sei, nicht zu regieren als schlecht zu regieren. Gleich zum Einstieg gab es auch eine gelungene „Game of Thrones“-Variante der Sondierungen, in der Angela Pastorentochter nach dem Abdanken des greisen Bayern-Königs im Winter ihres Missvergnügens sitzt. Manfred Maurenbrecher und Horst Evers malten in Zottelfellkostümen aus, wie ihre Macht langsam schwindet, wie sich „Martyrium Schulz“ mit seinen Kehrtwenden quält und wie Donald Trump die herrschende Ordnung bedroht. Auch der Einzug der AfD taugt zu einer sarkastischen Nummer über einen fiktiven Demokratie-Workshop der Weidels und Gaulands, die im Keller des Reichstags den Touristen unter dem Motto „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen“ Messer an die Kehlen halten.
Ansonsten machte sich bei der Jubiläumsausgabe des „Jahresendzeitprogramms“ (20 Jahre) das Gefühl breit, dass es diesmal zu viel Routine und zu viele Aufgüsse von Bekanntem gab: der Alt-Bundespräsident Joachim Gauck (parodiert von Hannes Heesch) versuchte wieder, sich als selbstverliebter Co-Moderator neben Angela Merkel alias Christoph Jungmann breitzumachen. Dieser Gag war, als er zum ersten Mal auftauchte, ein Highlight, nutzt sich aber durch die jährlichen Wiederholungen langsam ab. Diesmal steigerte sich Gauck alias Heesch in einen Vergleich mit Luther hinein. Auch das Chaos beim Flughafen-Bau, eine seit Jahren währende Berliner Lokal-Posse, nahm diesmal angesichts des geringen Neuigkeitswerts zu breiten Raum ein.
Etwas kurz kam die Hommage an das Ende der Ära Castorf: während Videobilder im Volksbühnen-Stil über die Leinwand flimmerten und Jungmann im Stil der Diven des Hauses deklamierte, sang der Rest des Ensembles das berühmte „Danke für unsere Arbeitsstätte“ aus Christoph Marthalers „Murx!“-Inszenierung. Als Zugabe wurde das Publikum mit einem Klassiker aus dem Jahr 2006 verwöhnt: zur Melodie des Fußball-Hits „54 – 74- 90-2006“ der Sportfreunde Stiller besangen sie den „Gammelfleisch“-Skandal und die Praxis des geschickten Umettiketierens.
Weil die Kudammbühnen im Sommer abgerissen werden und bis zur Fertigstellung einer neuen Spielstätte im Schillertheater gastieren werden, wird auch der nächste Jahresrückblick in diesem Ausweichquartier zu erleben sein, verkündete das Angela Merkel-Double nach dem letzten Vorhang. Das Original wird es bis dahin vermutlich geschafft haben, eine „stabile Regierung“ zu zimmern. Hoffentlich bekommt das traditionsreiche „Jahresendzeitprogramm“ dann auch wieder mehr frischen Wind.
Bild: David Baltzer bildbuehne.de