Ein Projekt von Castorfschen Dimensionen stemmte Jette Steckel am Thalia Theater: sie wagte sich an die mehr als 1.000 Seiten der Familiensaga „Das achte Leben (Für Brilka)“ von Nino Haratischwili. Die junge Autorin, die 1983 in der ihrem Untergang entgegendämmernden Sowjetunion, genauer in der Teilrepublik Georgien geboren wurde und heute in Hamburg lebt, folgt den sechs Generationen: Von der Tänzerin Stasia (Barbara Nüsse), die im Zarenreich von einer Karriere als Tänzerin in Paris träumt, bis zur 12jährigen Brilka (Mirco Kreibich), die sich in Rückblenden die Geschichte erzählen lässt.
Fast fünf Stunden dauert dieses Unterfangen. Nach sprödem Beginn entfaltet sich ein ausuferndes Panorama. Im Idealfall sollten sich die einzelnen Fäden zu dem Teppich verweben, den Barbara Nüsse ziemlich früh als Leitmotiv einführt und der nach und nach auf der Bühne entrollt wird. Ähnlich wie bei Castorf ist es aber auch bei dieser Romanadaption herausfordernd, im Beziehungsgeflecht der Figuren den Überblick zu behalten, obwohl das Programmheft einen Stammbaum der Familien Jaschi und Eristawi bietet.
Natürlich gab es starke Szenen, die in Erinnerung bleiben, z.B. Mirco Kreibich als sadistischer Geheimdienstscherge, der befiehlt, dass bei der schwangeren Kitty (Maja Schöne) eine tödliche Frühgeburt eingeleitet wird, weil sie sich im Verhör weigert, die gewünschten Informationen preiszugeben. Oder das starke Finale zu „Home is where it hurts“: Der Song, mit dem Xavier Dolan seinen Film „Einfach das Ende der Welt“ begann, bringt die wechselvolle Familiengeschichte auf einen Nenner.
Statt eines überzeugenden Musters ist die Inszenierung über weite Strecken ein Wimmelbild aus zu vielen Fäden, die zwar oft kunstvoll verknüpft sind, manchmal aber auch ins Leere laufen und sich zu Stolperfallen verheddern.
Bild: Armin Smailovic