Der zerbrochne Krug

Als „Lustspiel“ hat Heinrich von Kleist „Der zerbrochne Krug“ bezeichnet. Bei Michael Thalheimers klug auf knapp 90 Minuten gestraffter Stückfassung im Schauspielhaus Hamburg bleibt dem Publikum das Lachen im Hals stecken. Komödie wurde gestern Abend nur einige Meter weiter beim „Thalia Vista Social Club“-Dauerbrenner gespielt.

„Der zerbrochne Krug“ wird hier zur Parabel über Machtmissbrauch und Nötigung. Carlo Ljubek flätzt als Dorfrichter Adam nackt und breitbeinig in seinem Sessel, während vorne an der Rampe Josefine Israel als Eve ein zweites Mal bedrängt und begrapscht wird. Der Gerichtsrat Walther, der aus Utrecht hergeschickt wurde, um die Einhaltung der Regeln zu überwachen, stellt sich auf die Seite des Stärkeren. Hier hackt die sprichwörtliche Krähe der anderen kein Auge aus, lieber plaudert man bei einer guten Flasche Wein aus dem Keller des Dorfrichters.

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Wie fast immer bei Thalheimer-Inszenierungen hat Olaf Altmann eine Bühne gebaut, die den Klassen-Unterschied deutlich macht. Oben macht es sich der Dorfrichter gemütlich. Auf der nächtlichen Flucht hat er sich zwar verletzt, seine Haut ist blutig und zerschunden, er aalt sich aber dennoch im Gefühl der Unangreifbarkeit und setzt die Zeugen unter Druck, die gebeugt eine Ebene tiefer stehen und darauf warten, als Bittsteller gehört oder zum Verhör gerufen zu werden. Bert Wrede hat das Justizdrama mit eindringlichen, leitmotivisch wiederkehrenden Streicherklängen unterlegt.

Thalheimer kann auf ein starkes Ensemble bauen, aus dem Carlo Ljubek als Dorfrichter herausragt. Ohne unnötige Längen bietet er einen konzentrierten, sehr soliden und durchaus sehenswerten Klassiker-Abend mit hervorragenden Schauspielern und klarer These.

Bilder: Matthias Horn

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