Eines langen Tages Reise in die Nacht

Für ihre Neuinszenierung des Klassikers „Eines langen Tages Reise an die Nacht“ am Wiener Burgtheater versammelte Andrea Breth ein erlesenes Ensemble: Corinna Kirchhoff, seit dieser Spielzeit fest in Berlin am BE engagiert, spielt die morphiumsüchtige Mutter Mary Tyrone, Sven-Eric Bechtholf mimt ihren Mann James Tyrone. Als die beiden Söhne Edmund und James jr. sind die aus zahlreichen Kino-Produktionen bekannten August Diehl und Alexander Fehling an Bord. Andrea Wenzel komplettiert den Cast in der Nebenrolle des Dienstmädchens Cathleen.

Wie von Breth zu erwarten, steht die Sprache im Mittelpunkt des Abends. Ihr Regiestil ist klassisch-elegant und sehr gediegen, aber so konzentriert auf das Wort, dass er kaum optische Reize bietet. Eine der wenigen Ausnahmen ist Martin Zehetgrubers überdimensionales Skelett, das sich auf der Drehbühne erst im Schlussbild ins Zentrum schiebt.

Eugene O´Neills autobiographisch geprägtes Familiendrama entfaltet auch mehr als sechs Jahrzehnte nach der posthumen Veröffentlichung beim Lesen eine suggestive Kraft, die sich bei Andrea Breth leider nur teilweise auf die Bühne überträgt. Über vier Stunden erleben wir ein Sprechtheater, das auf Entschleunigung setzt, wobei sich vor allem die letzte Stunde etwas zu sehr in die Länge zieht.

Der Reiz dieses Dramas liegt beim Lesen vor allem darin, dass O´Neill dramaturgisch geschickt erst nach und nach aufdeckt, aus welchen Gründen sich jedes Mitglied der Familie Tyrone in einen Kokon aus Lebenslügen eingesponnen hat. Bei O´Neill scheint in den ersten Szenen noch alles im Lot, eine Familie startet in einen Sommertag in einem Ferienhaus, die Abgründe werden erst schrittweise spürbar.

Andrea Breth lässt den Figuren jedoch von Beginn an keine Hoffnung. Statt des in O´Neills Regieanweisungen detailliert beschriebenem Wohnzimmers erleben wir in Breths Burgtheater-Abend eine fast leere Bühne, über die ihre verwundeten Figuren irren. Schon in der ersten Szene versinkt alles in depressivem Schwarz, Corinna Kirchhoff tritt von Anfang an als Verzweifelte auf. Wie Reinhard Karger in seinem Interview auf Deutschlandfunk Kultur unmittelbar nach der Premiere herausarbeitete, verschenkt Breth mit dieser Setzung die Chance, dass sich die Figuren langsam entwickeln und der Text auch auf der Bühne seine ganze Wirkung entfalten kann.

Am ehesten kann Alexander Fehling seine Freiräume innerhalb des Regie-Konzepts nutzen. In der Rolle des Bad Boys James jr. kommentiert er die längeren Monologe der anderen Familienmitglieder in vielen Szenen ironisch zugespitzt oder mit kleinen sarkastischen Bemerkungen.

Bilder: Bernd Uhlig

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