Wir müssen uns den „Prospero“ aus William Shakespeares Alterswerk „Der Sturm“ als Strippenzieher und Regisseur vorstellen, der die Neuankömmlinge und Gestrandeten auf seiner Insel wie Spielfiguren verschiebt. So argumentiert der renommierte Shakespeare-Forscher Stephen Greenblatt in seinem Essay „Will in der Welt“, das ganz vorne im Programmheft zur Schaubühnen-Produktion „Shakespeare´s Last Play“ abgedruckt ist.
Bush Moukarzel, der gemeinsam mit Ben Kidd das irische „Dead Centre“ gründete, spricht mit feinem angelsächsischem Humor aus dem Off. Vorne taumeln fünf Spielerinnen und Spieler der Schaubühne: die beiden TV-Stars Mark Waschke und Nina Kunzendorf, dazu Jenny König und Moritz Gottwald, die sich in letzter Zeit dort rarer machten, sowie Thomas Bading, der bereits die gesamte Ostermeier-Ära mitbegleitet.
„Hier waren wir doch schon mal“, murmeln die menschlichen Spielfiguren. Sie werden in wechselnden Paarungen von Shakespeare/Prospero arrangiert, um zentrale Themen des Lebens und des Shakespeare-Klassikers „Der Sturm“ wie Mord, Sex und Tod nachzuspielen. Die Stimme aus dem Off funkt immer wieder dazwischen, die Schauspielerinnen und Schauspieler begleiten ihre Szenen mit trockenen Kommentaren. Sie ernten damit auch einige Lacher im Publikum, aber die Versuchsanordnung ist nur mäßig unterhaltsam.
Der zweite Teil des Abends gerät zur großen kannibalischen Leichenfledderei, nachdem alle Spielerinnen und Spieler brav gestorben sind und sich als Zombies an Shakespeares Gruft versammeln. Inspririert von Michel de Montaignes „Über die Menschenfresser“ (1580) machen sie sich über Shakespeares Leiche her und spielen sich gegenseitig die Meta-Theater-Bälle zu: Was soll eigentlich dieses ganze klassische Einfühlungstheater? Was haben uns Shakespeares Stücke überhaupt noch zu sagen? Ist es nicht zynisch, den märchenhaften Klassiker über Verliebte und Gestrandete auf einer fiktiven Mittelmeerinsel zu spielen, während in Lampedusa die Leichen der Bootsflüchtlinge an den Strand gespült werden, fragt Mark Waschke.
Nach und nach stecken alle fünf ihren Kopf in den Sand, der am Rand des Planschbeckens aufgetürmt wurde, dessen Inhalt auch bis in die erste, mit Regencapes bewaffnete Reihe spritzte. Der launige Metatheater-Abend der irischen Gruppe, die in den vergangenen Jahren bereits zu drei Gastspielen beim FIND-Festival eingeladen wurde, entlockte dem Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble ein Schmunzeln und erntete freundlichen Applaus, hatte aber auch sichtlich damit zu kämpfen, dass ihm über die Strecke von 105 Minuten sichtlich die Ideen und die Luft ausging.
Bilder: Gianmarco Bresadola