Creation (Pictures for Dorian)

Betont beiläufig beginnen „Gob Squad“ ihre neue Performance „Creation (Pictures for Dorian)“ im HAU 2. Simon Will gibt vor, dass er Zuschauer porträtieren möchte, beschränkt sich aber auf abstrakte geometrische Strichzeichnungen, die er ans Publikum verschenkt. Sharon Smith ist im Hintergrund mit Ikebana beschäftigt, die im Lauf des Abends symbolträchtig verwelkt.

Mit der Vergänglichkeit der Jugend und der Schönheit befasst sich das deutsch-englische Performance-Kollektiv, das seit 25 Jahren gemeinsam auf der Bühne steht. Für diesen Abend bitten sie lokale PerformerInnen hinzu: links die drei „Küken“ mit einem Durchschnittsalter von 22, rechts werden die drei Routiniers platziert, deren Alter dezent verschwiegen wird.

Berit Stumpf von „Gob Squad“ ergreift die Initiative und überlegt, mit welchem Gegenüber sie sich am ehesten identifizieren könnte. Die drei älteren Gäste werden mit abwertender Geste sofort ins Halbdunkel an den Bühnenrand verdrängt. Mit den körperlich sichtbaren Zeichen nachlassender Kräfte möchte die Sandwich-Generation in den mittleren Jahren nicht behelligt werden. Stattdessen taxiert sie lieber die Jugend und entscheidet sich für einen sportlichen jungen Mann. Sie sei ja auch selbst früher Leichtathletin gewesen, er entspreche ihrem Selbstbild am besten. Mit diesen Worten schiebt sie ihn hinter den Spiegel, der aus Oscar Wildes berühmtem Werk „Das Bildnis des Dorian Gray“ als Leitmotiv der Performance „Creation (Pictures for Dorian)“ übernommen ist.

Im deutlich zu lang ausgewalzten Mittelteil umschwirren die Middle-Ager von Gob Squad den Nachwuchs in ironischer Distanz, zupfen und zerren an ihnen herum, schieben sie in die richtigen Posen und erinnern sie mahnend, dass auch ihre jugendliche Frische bald vergangen sein wird. In einem langen Solo tritt Sharon Smith nackt ins Bühnenzentrum und kokettiert mit der Vergänglichkeit ihrer Jugend.

Berührend wird die Performance erst, als Berit Stumpf je eine alte und eine junge Mitspielerin vor einer improvisierten Wand aus Spiegeln um sich herumgruppiert. Langsam kommt der knapp zwei Stunden lange Abend zu seinem Kern. Die ironisch ausgestellten Verdrängungsmechanismen werden ebenso wie die Spiegel weggeschoben. Die Performer beginnen einen ernsthaften und nachdenklichen Dialog auf Augenhöhe über den Schmerz des Älterwerdens, die Vorteile von Reife und Erfahrung und die Akzeptanz des Alterns und Verfalls.

Das Schlussbild gehört einer der älteren Spielerinnen, die sich erinnert, dass sie vor mehr als vier Jahrzehnten am Badischen Staatstheater in Karlsruhe die „Iphigenie“ darstellen durfte. Der Intendant wollte die Inszenierung verhindern, übte Druck aus, sie hielt dem jungen Regisseur die Treue, stellte sich trotzdem auf die Bühne und bekam glänzende Kritiken. Auf der Drehscheibe deutet sie einige Bewegungen aus ihrer damaligen Glanzrolle an: schattenhaft, nur noch in Umrissen erkennbar, eine Erinnerung aus ferner Vergangenheit.

Vorschaubild: Jade Mainade, 2. Bild: David Baltzer

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