Das beschauliche Wilmersdorf ist nicht gerade für seine Clubkultur bekannt. Für eine knappe Stunde änderte sich das am späten Dienstag Abend. Annalyzer, Kieron Jina, Mbali Mdluli und Antje Schupp enterten mit „Pink Money“ die Unterbühne des Hauses der Berliner Festspiele.
Die Performance, die in Johannesburg und Basel entwickelt wurde, ist der krönende Abschluss der „Shifting Perspectives“, die kalendarisch ins Zentrum der 10er-Auswahl verpflanzt wurden, aufmerksamkeitstechnisch aber ein Rahmenprogramm darstellen. Im Publikum dominierten die MitarbeiterInnen des Theatertreffens, die Teilnehmerinnen des Internationalen Forums und des tt-Blogs, die an ihren jeweiligen Akkreditierungen zu erkennen waren.
Die Performerinnen und Performer legten sich mächtig ins Zeug. Zu den lautstarken Beats aus den Boxen streiften sie durch das Publikum, verteilten Schnaps und brachten die Zuschauerinnen und Zuschauer mit Tanzeinlagen in Stimmung. Die bunte Party hatte natürlich auch eine ernste Botschaft. In den Pausen zwischen den Showeinlagen reflektierten die Performerinnen und Performer über sichere Häfen für LGBTI und über den Kommerz in der queeren Party-Community. Antje Schupp berichtete über die Angst vor homophoben Übergriffen, als sie mit ihrer Freundin nachts auf dem Heimweg durch Wien verfolgt wurde. Die anderen Performerinnen und Performer erzeugen durch lautes Pfeifen, das aus mehreren Ecken kommt, und aggressive Sprüche eine bedrohliche Atmosphäre. Der Südafrikaner Kieron Jina, der einen Zuschauer mit einem professionellen Lapdance überraschte, erzählte von den Angeboten weißer Touristen, die ihm gegen Sex ein Leben im Wohlstand versprechen. Mbali Mduli, die ebenfalls aus Südafrika stammt, beklagt sich über die rassistische Gewalt eines Vermieters, die sie und eine Kollegin während eines Festivals in Rotterdam erlebt hat.
„Pink Money“ gelang es sehr gut, die Balance zwischen der selbstbewussten Feier von Diversität und Lebensfreude und dem Behandeln ernster Themen zu halten. Nicht weniger ausgelassen und exzentrisch ging es zuvor bei „Chombotrope“ zu. Stephanie Thiersch bekam für diese Zusammenarbeit mit ihrem kenianischen Kollegen Kefa Oiro und dem europäisch-afrikanischen The Jitta Collective den Kölner Tanztheaterpreis 2017. Die auch nur eine Stunde kurze Performance ist ein noch wilderer Stilmix als Falk Richters „Am Königsweg“, die „mit einer zugespitzten und persönlichen Praxis des Zu-Eigen-Machens und der Selbstermächtigung“ arbeitet: „Gemeinsam feiern wir die Mash-Up-Idee und treiben sie ins Extrem“, erklärt das Kollektiv sein Konzept. Zwischen der Parodie einer Modenschau mit Trash-Kostümen, Beatboxing und Twerking-Einlagen entsteht ein skurriler, lauter Abend, der sich einen Spaß daraus macht, möglichst viele Stilrichtungen und Versatzstücke aus verschiedenen Kulturen und Genres in den großen Mixer zu werfen.
Interessant gedacht, aber in der Ausführung nicht überzeugend war die Performance „Preto“ (Portugiesisch für „Schwarz“). Marcio Abreu und die companhia brasileira de teatro (Curitiba) setzen sich darin mit Diskriminierung und ihrer schwarzen Hautfarbe auseinander. Die Performance war als Spiel mit den Klischees angekündigt: „Mit großer Lust rezipiert und zerstört die Performance Stereotype und wirft mit Zitat und Verweigerung ein doppelt scharfes Licht auf die trügerischen, festgefahrenen Bilder in unseren Köpfen.“ Die 90 Minuten fransen oft aus und sind deutlich zu lang geraten.
Der Versuch des Theatertreffens, mit seiner internationalen Plattform neben den bewährten Formaten 10er-Auswahl, Stückemarkt und Panels „ein breiteres Spektrum an aktuellen gesellschaftlichen Themen, ästhetischen Positionen und wegweisenden Tendenzen“ widerzuspiegeln, hatte in diesem Jahr erst seine zweite Auflage. Nicht jede der eingeladenen Performances überzeugte, aber für die Zukunft hat dieses Format Potenzial.
Bild 1 aus „Pink Money“: Suzy Bernstein, Bild 2 aus „Chombotrope“: Martin Rottenkolber