Ballroom Schmitz

Zum Spielzeit-Finale schenkt das Berliner Ensemble sich und dem Publikum eine unterhaltsame Musik-Comedy. Das Regie-Duo Barbara Bürk/Clemens Sienknecht landete mit „Effi Briest – allerdings mit anderem Text und anderer Melodie“ einen Überraschungshit beim Theatertreffen 2016. Das Deutsche Schauspielhaus Hamburg bestellte bei ihnen anschließend gleich den Nachfolge-Abend „Anna Karenina – allerdings mit anderem Text und auch mit anderer Melodie“ für den Malersaal.

In Berlin weichen Bürk/Sienknecht von diesem Erfolgsmodell leicht ab und stellen statt einer unglücklichen Roman-Figur des 19. Jahrhunderts den fiktiven Radiopionier Bernhard Schmitz ins Zentrum des Abends, der angeblich aus dem Theater am Schiffbauerdamm wöchentlich zwischen 1923 und 1933 eine Show mit hipper Musik, Literatur und Unterhaltung auf höchstem Niveau sendete. Realer Hintergrund für diese Idee ist, dass das traditionsreiche Haus, in dem das Berliner Ensemble residiert, zwischen der Ära von Max Reinhardt und von Bertolt Brecht tatsächlich als Unterhaltungs- und Operettentheater diente.

Die knapp zwei Stunden könnte man als launige Nummernrevue zusammenfassen, die sich vor allem aus zwei Quellen speist: Erstens der skurrile Humor slapstickartiger Intermezzi, die unverkennbar den Geist von Christoph Marthaler atmem, mit dem Bürk/Sienknecht lange zusammengearbeitet haben. Zweitens eine Grundidee, die Achim Hagemanns „Der Popolski Show“ (seit 2008 im WDR und auf Kleinkunstbühnen) ähnelt. Während laut Hagemann die gesamte jüngere Musikgeschichte ohne den schrulligen Popolski nicht denkbar wäre, liegt dem „Ballroom Schmitz“ der Gag zugrunde, dass die bekannten Songs und Ohrwürmer von „Hey Joe“ bis „Billie Jean“ angeblich entweder auf einer Idee von Bernhard Schmitz beruhen oder von den Musikern ihm als Hommage gewidmet sind.

Das Herzstück des Abends sind ganz klar die Parodien und Überschreibungen der Songs. Dann ist der Abend ganz bei sich: amüsant, schlitzohrig und auf überzeugendem musikalischem Niveau. Die Überleitungen und Zwischenspiele sind jedoch leider eher zäh geraten. Wie schon bei „Effi Briest“ gibt es als „Running Gag“ wieder einen Werbe-Jingle des fiktiven Radiosenders und eine Unmenge mehr oder weniger zündender Kalauer. Werner Riemann, der regelmäßig Führungen durch das Theater am Schiffbauerdamm anbietet, hat einen kurzen Gastauftritt in der Veräppelung eines Expertengesprächs, dessen Witz darin besteht, dass der Moderator seinem Gast keine ganzen Sätze, sondern nur ein kurzes Nicken oder ein „Ja, so ist es“ entlocken kann.

Ganz hübsch ist der Auftritt des völlig verschüchterten Owen Peter Read: er soll Passagen aus „Trommeln in der Nacht“, Brechts Frühwerk, das Christopher Rüping gerade beim Theatertreffen präsentiert hat, vorsprechen. Aus dem Off donnert die Stimme Brechts, der ihn immer wieder korrigiert, zurechtweist und Regieanweisungen gibt, die irritieren.

Als Musikkabarett funktioniert der Abend wunderbar, die Rahmenhandlung ist diesmal jedoch recht fad. Der Reiz, der durch ironische Kommentare und Querverweise auf „Effi Briest“ entstand, stellt sich beim „Ballroom Schmitz“ nicht ein. Die Meta-Ebene kommt zu kurz. Das gut unterhaltene Publikum spendete dennoch freundlichen Applaus.

Bilder: Matthias Horn

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