Die Jury-Sitzungen des Theatertreffens sind streng vertraulich. Über die Abstimmungsprozeduren dringt so wenig nach außen wie aus dem Konklave zur Papstwahl. Auch wenn der weiße Rauch endlich aufsteigt, bleiben die Beratungen der Damen und Herren unergründlich.
Aber so könnte es im Januar/Februar gewesen sein: Antú Romero Nunes sollte endlich mal zum Theatertreffen eingeladen werden. Sein „Richard III.“ am Thalia Theater war ein Highlight der vergangenen Spielzeit, war 2017 offensichtlich auch in der Jury-Diskussion, nahm aber dann doch nicht die letzten Hürden zur 10er-Auswahl. Diesmal soll er aber endlich unbedingt dabei sein. Die JurorInnen überlegten hin und her, befanden den „Caligula“ des Berliner Ensemble und den „Michael Kohlhaas“ vom Thalia Theater zurecht für zu leicht.
Am Ende blieb nur noch „Die Odyssee – Eine Irrfahrt nach Homer“, eine amüsante, kleine Fingerübung aus der Thalia-Dependance in der Gaußstraße, bei der sich die beiden Nunes-Stammspieler Thomas Niehaus und Paul Schröder (er war schon in seinen Studien-Inszierungen an der HfS Ernst Busch vor einem Jahrzehnt dabei) nach Herzenslust austoben können.
Sie schlüpfen in die Rollen der beiden Halbbrüder Telemachos und Telegonos, Söhne des Odysseus, die in einem Phantasie-Sprachen-Gemisch, das an Schwedisch, Dänisch und Griechisch erinnert, vor sich hinbrabbeln, viel Slapstick, ein paar Seifenblasen-Nummeern und einige Zauberkunststückchen bieten. Hier wird anspielungsreich von der Sandalenfilm-Hollywood-Legende Kirk Douglas (auf einem Porträt an der Bühnenwand) bis zum Schwanzvergleich alles durch den Fleischwolf gedreht und veräppelt, was nicht bei drei auf den Bäumen ist.
Über knapp zwei Stunden ziehen sich die Kalauer und Gags ziemllich in die Länge. Kurz vor Schluss werden die beiden Jungs aber so hemmungslos albern, dass der Abend fast schon wieder gut wird: zu „Maschin“ von Bilderbuch posiert Paul Schröder und wird von Niehaus mit einer Wasserpistole angespritzt. Zum Kettensägenmassaker stürzen sich die beiden ins Publikum.
Die Zuschauer reagierten so gespalten wie die Premieren-Kritiken. Nachtkritik schwärmte bei der Premiere vor einem Jahr von sagenhaftem Bühnenzauber, das Hamburger Abendblatt warf Nunes und seinen beiden Spielern vor, meilenweit vom Kurs abgekommen zu sein.
Ganz zum Schluss gibt es dann noch einen wirklich großen Theatermoment auf der kleinen Seitenbühne: Die Buhrufer müssen unmittelbar vor den beiden Spielern vorbei, lassen noch mal Dampf ab und werden prompt von den Fans der Veranstaltung, die in der Überzahl waren, ausgebuht. Als neutraler Beobachter verlässt man das Schauspiel mit gemischten Gefühlen: eine nette Abwechslung, die sich schnell achselzuckend abtun lässt, und zumindest eine kleine Wiedergutmachung dafür, dass der „Richard III.“ im vergangenen Jahr nicht eingeladen war.
Bilder: Armin Smailovic
Antonia von Fürstenberg
Ich war eine der wenigen BuhruferInnen, wahrscheinlich trauten sich viele nicht angesichts der anwesenden Unterstützermeute. Ich habe keinen Dampf abgelassen vorne an der Seitenbühne, sondern den virtuosen Schauspielern zu ihrer Leistung gratuliert, die sich in dieser sinnfreien und deshalb zunehmend langweiligen Klamauk-Inszenierung abmühen mussten. Dem Publikum war dieser Minimoment nach meinen Eindruck egal, die Fans von Jungs-Abenden waren vollauf damit beschäftigt, sich gegenseitig im Applaus zu berauschen.
Nicht egal war mir, als ich beim Schlussapplaus an den Zuschauern in meiner Reihe entlang zum Ausgang strebte. Da wurde ich von einem jungen Mann aggressiv angezischt und mehrfach auffordernd betascht: „Machen Sie schnell, dass Sie hier raus kommen“. Das zur Toleranzfähigkeit von abweichenden Meinungen des Berliner Fan-Publikums.
Konrad Kögler
Vielen Dank für Ihre Anmerkungen und Klarstellung.