„Ich kann gar nicht verstehen, warum Sie hier alle so ruhig herumsitzen…“ Angela Falkenhan und Moritz Peschke (im rückenfreien Abendkleid) haben sich in Schale geworfen und bibbern dem Casting entgegen. Hyperventilierend und stolpernd wuseln die beiden durch den Zuschauerraum des Theaters Freiburg, setzen sich auf freie Plätze, springen sofort wieder auf, verteilen Pralinen und wissen nicht, wohin mit sich in all ihrer Nervosität. Mit diesem amüsanten Vorspiel beginnt die 34 Jahre junge polnische Regisseurin Ewelina Marciniak, die mit einer Jelinek-Inszenierung in Breslau den Zorn des PiS-Kulturministers und des Erzbischofs auf sich zog, ihr Deutschland-Debüt und ihre erste Shakespeare-Arbeit.
Drei zentrale Szenen strukturieren den Abend: nach dem Prolog wird aus dem Spaß zunächst bitterer Ernst. Hermia wird von ihrem Vater Egeus zur Heirat mit Demetrius gedrängt, obwohl sie den Lysander liebt. Als sie sich widersetzt, führt er seine Tochter dem Herrscher Theseus vor, der die geltende patriarchale Ordnung durchsetzen soll. Theseus (Henry Meyer) lässt sich die Chance nicht entgehen und befingert Hermia (Rosa Thormeyer) ebenso genussvoll wie widerlich mit einem Jungfrauentest.
Für einen kurzen Sommer der Freiheit und der Anarchie flüchten die jungen Paare in den Wald und nutzen die Muschel, aus der Titania (Janna Horstmann) wie die Venus auf Sandro Botticellis berühmtem Renaissance-Gemälde entsteigt, als Liebesgrotte. Handwerker Zettel (Lukas Hupfeld) wird nicht in einen Esel verwandelt, sondern gesellt sich in einem Fantasy-Fell-Kostüm dazu, das einer Traumwelt zwischen „Sesamstraße“ und „Toni Erdmann“ entsprungen scheint. Helena (Laura Angelina Palacios), Hermia (Rosa Thormeyer), Lysander (Dominik Paul Weber) und Demetrius (Thieß Brammer) verknäulen sich zu einer wogenden Masse und flanieren dann zwischen den Reihen, um die Zuschauer mit ihrer Nacktheit und ausgelebten Freiheit zu konfrontieren. Auch die trotz Ermahnungen vor sich hinquasselnde Rentnerclique wird hier einmal kurz ruhig, als der nackte Lysander sich vor ihnen aufbaut, sich höflich vorstellt und lächelnd „Ach, und das ist Ihre junge Freundin?!“ hinzufügt.
Nach der Pause schlägt die Stimmung erneut um: die motzenden Rentner haben das Theater glücklicherweise verlassen. Theseus übernimmt wieder das Heft des Handelns, platziert die Zuschauer um und schafft so Platz für eine arrangierte Dreifach-Hochzeit. Die Wiederherstellung der starren Ordnung wird dadurch symbolisiert, dass die Liebespaare mit brav gescheitelten Haaren und in strengem Dresscode mit Anzug als Staffage am Rand stehen, während im Zentrum der Bühne das Laienspiel der Handwerker aufgeführt wird. Theseus ist jetzt ganz in seinem Element, dirigiert das Publikum als mehr oder weniger willige Claquere und hat seinen Willen durchgesetzt.
Ewelina Marciniak gelingt gemeinsam mit ihrer Bühnenbildnerin Katarzyna Borkowska und dem spielfreudigen, tollen Ensemble eine frische Lesart des Shakespeare-Klassikers, die bildstark entlang der drei zentralen Szenen komponiert ist. Auf einen Makel wies Jürgen Reuß in seiner Nachtkritik allerdings zurecht hin: Durch Fremdtext-Versatzstücke verschwimmt die Komödie vor der Pause „streckenweise zu einer undurchschaubaren Textfläche“. An diesem Abend kam die Beschallung durch das bereits erwähnte Rentner-Störkommando erschwerend hinzu.
Bilder: Birgit Hupfeld
Beatrice Rodi-Presenti
Anfangs verwirrt durch die Inszenierung der ins Publikum sich mischenden,incognito SchauspielerInnen.Zunächst fragte ich mich,ob die nach einer Toilette suchende Dame sich im Theatersaal geirrt hätte.Erst nach circa 10 Minuten wurde mir bewusst, dass es sich hierbei um eine gewollte Einführung in das Theaterstück „Sommernachtstraum “ handelte.
Die interaktive Einbeziehung des Publikums verunsicherte mich anfänglich,denn es war mir klar,wenn ich mich äußere,oute ich mich vor dem gesamten Publikum.
Was am Beeindruckensten auf mich einwirkte die Unbefangenheit mit der Sexualität umzugehen im Akt der Waldszene.Gleichzeitig das unbefangene sich persönlicheVorstellen im Adams-/Evaskostüm
und sich unter das Publikum mischen der BühnendarstellerInnen.Mich persönlich durchdrang das mir anerzogene Schamgefühl und ich bewunderte den Mut derer,sich splitterfaser nackt den Reaktionen des Publikums auszusetzen.
Die Herauskristallisierung der Ohnmacht und der Verzweiflung bis hin zum Wahnsinn bei dem Versuch sich gegen das Polit-Regime aufzulehnen,ist dramaturgisch hervorragend herausgearbeitet worden.Die Umsetzung der SchauspielerInnen einfach bravourös.
Leider wurde die Ernsthaftigkeit der „brenzligen „Thematik „verkischt“,wodurch die Gefahr für das an der eigenen Einstellung festzuhalten mit dem Leben zu bezahlen riskiert.Unter der Regierungsform der zensurfreien Kunst und dem Journalismus,ist die Todesgefahr nicht mehr geistesgegenwärtig. Es ist nur noch ein Relikt,das der Vergangenheit angehört.Das Gefühl der Verfolgung ist nicht mehr nachvollziehbar für uns.