Die Zukunft reicht uns nicht

Einen großen Bogen schlägt Thomas Köck in seinem Wutchor-Stück „Die Zukunft reicht uns nicht (Klagt, Kinder, klagt!)“: von den ertrinkenden Flüchtlingen im Mittelmeer, die durch weiße Leichensäcke symbolisiert werden, über den Drohnenkrieg, der durch ferngesteuerte Flugobjekte angedeutet wird, bis zur Debatte um die ungerechte Vermögensverteilung hat der junge österreichische Dramatiker und Regisseur, der für „paradies spielen (abendland: ein abgesang)“ vor wenigen Wochen mit dem Mülheimer Dramatikerpreis ausgezeichnet wurde, eine ganze Menge politischen Sprengstoff in den 90minütigen Abend.

Bei der Uraufführung, die Autor Köck gemeinsam mit Co-Regisseurin Elsa-Sophie Jach am Schauspielhaus Wien inszenierte und die nun zu den Autorentheatertagen am Deutschen Theater Berlin eingeladen war, stehen dreizehn Teenager in Bomberjacken im Mittelpunkt. Sie lassen ihrem Frust freien Lauf: Sie ziehen über den österreichischen Kanzler-Sonnyboy Sebastian Kurz her und wiederholen loopartig seinen flapsigen Spruch „Es wird nicht ohne hässliche Bilder gehen“, den er auf dem Höhepunkt der europäischen Flüchtlingsdebatte im Januar 2016 brachte. Sie empören sich darüber, dass das 1% der Superreichen mehr als die Hälfte des weltweiten Wohlstands besitzt, schimpfen darüber, dass ihnen ihre Eltern eine Welt voller Schulden und Chaos hinterlassen, und spielen als Kronzeugin einen Zitatschnipsel von Sahra Wagenknecht ein, dass auch heute noch dieselben Familien in Florenz den größten Reichtum haben wie zu Zeiten der Medici.

Das Sperrfeuer dieser Anklage ist schwungvoll und präzise choreographiert. Auch wenn die Textverständlichkeit manchmal leidet, gehört der Wiener Teenager-Chor zu den Publikumslieblingen dieser beiden Festival-Wochen. Gegenspielerin des Chores ist Sophia Löffler als die Seherin Kassandra. Im hohen, pathetischen Ton und blauen Abendkleid hat sie den ersten Auftritt des Abends, bevor der Chor die Bühne entert. Die Wortgefechte zwischen der Solistin und den Pubertierenden, denen sie die Leviten liest, und die Verfolgungsjagden mit Hooligan-Baseballschlägern erinnern sehr an René Pollesch und seine Guerilla-Chöre, die Sophie Rois oder Fabian Hinrichs hetzen.

„Die Zukunft reicht uns nicht (Klagt, Kinder, klagt!)“ ist ein kurzweiliger Theaterabend. Der zitatgesättigte, in seinem Anspielungsreichtum fast zu viel des Guten wollende Text wird von dem überzeugenden Ensemble interessant dargeboten.

Bilder: Matthias Heschl

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