Halb Dokumentaristin, halb Aktivistin ist die österreichische Filmemacherin „Waldheims Walzer“ in ihrem neuen Werk „Waldheims Walzer“: der Film ist eine Zeitreise ins Jahr 1986. Mitten in den Präsidentschaftswahlkampf platzte eine politische Bombe: Kurt Waldheim, der Kandidat der konservativ-staatstragenden ÖVP und angesehener Ex-UN-Generalsekretär (1971-1982) wurde mit Vorwürfen konfrontiert, dass er seine Verstrickung in NS-Kriegsverbrechen jahrzehntelang verschwiegen und seine Biographie geschönt hat.
Das Nachrichtenmagazin Profil, die New York Times und vor allem der World Jewish Congress (WJC) gruben aus den Archiven Belege aus, dass Waldheim seine Biographie geschönt hatte. Er beharrte darauf, dass er ein „anständiger Soldat“ gewesen sei, der sich nach einer Kriegsverwundung ganz auf sein Jura-Studium konzentriert und von den Verbrechen nichts mitbekommen habe. Die Recherchen, die Beckermann in ihrem Film minutiös nachzeichnet, brachten zu Tage, dass er 1942/43 in Banja Luka und bei Saloniki eingesetzt war und Detailkenntnisse von Mordbefehlen, Deportationen und Morden an Partisanen und Juden gehabt haben muss.
Beckermann kompiliert in ihrer Dokumentation, die 2018 bei der Berlinale mit dem Preis für den besten Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde, eigene Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die sie damals 1986 als Tochter von Holocaust-Opfern und junge Demonstrantin auf dem Stephansplatz in Wien gedreht hat, mit Archiv-Material des ORF, US-amerikanischer Sender und Debatten des US-Kongress, wo sich Waldheim vor einem Ausschuss verantworten musste, bevor er auf die „Watchlist“ gesetzt wurde.
Der große Favorit Waldheim musste in den 2. Wahlgang. Seine ÖVP und er sahen sich als Opfer einer Schmutzkampagne. Mit einer „Jetzt erst recht“-Kampagne voller antisemitischer Untertöne, dass man sich vom WJC nicht vorschreiben lasse, wen man zu wählen habe, schlossen die Konservativen die Reihen und setzten ihren Kandidaten durch. Beckermanns Dokumentation zeigt sehr genau, wie aufgeheizt die Stimmung vor der Stichwahl war. Die eindrucksvollsten Szenen des oft recht langatmigen, sich in Details verlierenden Films sind die Mitschnitte antisemitischer Pöbeleien und hitziger Debatten zwischen Waldheim-Anhängern und Gegnern.
Kurt Waldheims Versuche, seine Biographie zu schönen, waren so offensichtlich, dass er während seiner sechsjährigen Amtszeit als österreichischer Bundespräsident (1986-1992) international isoliert war. Er verzichtete auf eine Kandidatur für eine zweite Amtszeit.
Bild: © Ruth Beckermann Filmproduktion