Cry Baby

Etwas ungewohnt ist es, Sophie Rois, den prominentesten Neuzugang im Ensemble des Deutschen Theaters, in diesem Ambiente aus Samt, Seide und Plüsch zu erleben. Barbara Steiner hat die Logen des traditionsreichen Hauses auf der Bühne noch einmal gespiegelt und schafft eine Stimmung, die weit entfernt ist vom rauen Asphalt und ironischen Lametta-Charme von Bert Neumanns Volksbühnen-Settings.

Die Diva mit ihrer unverkennbar verrauchten Reibeisenstimme schlurft mit einem „O Gott“ ganz beiläufig durch die luxuriösen Interieurs. Im Nachthemd will sie sich am liebsten gleich wieder hinlegen. Aber hier kommt man ja nicht zur Ruhe… Ständig will jemand was von ihr… Im Waldorf/Statler-Modus kräht von oben Bernd Moss dazwischen, als fleischgewordenes Bildungsbürgertum und langjähriger Abonnent pocht er darauf, dass er hier etwas sehen will für sein Geld. Rois und Moss kreuzen zunächst nur verbal die Klingen und liefern sich schließlich auch einen Fecht-Kampf live auf der Bühne.

Weitere Ruhestörer sind Christine Groß (Pollesch-Stammspielerin) und Judith Hofmann (wie Moss aus dem DT-Ensemble) mit ihren Pollesch-typischen Diskursschnipsel-Schleifen. Schließlich stampft noch ein weiblicher Guerrila-Chor über die Bühne: diesen Einfall hat Pollesch nun wahrhaft schon ein paar Mal zu oft recycelt. Diesmal performen Studentinnen des 2. Jahrgangs der HfS Ernst Busch den Chor und treten betont martialisch als Erschießungskommando.

„Cry Baby“ ist ein Mix aus zu vielen bekannten Pollesch-Versatzstücken, ein Nachklapp zu seinen besten Stücken und leider noch nicht der erhoffte Aufbruch an seinem neuen Berliner Stammhaus. Eine Sophie Rois ist zwar immer eine sichere Bank dafür, dass ein Abend nicht absäuft, die nur knapp einstündige Fingerübung hebt aber auch nicht ab, sondern kommt meist so schläfrig daher wie die Figuren, die darüber räsonieren, dass sie jetzt am liebsten gleich wieder ins Bett gehen möchten. Den größten Szenen-Applaus erhält bezeichnenderweise der Chor für einen kurzen Diss gegen Udo Lindenberg und seine zu aufgesetzte Rebellen-Attitüde, die einige Meter weiter am Berliner Ensemble in „Panikherz“ gefeiert wird.

Bilder: Arno Declair

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