Nach fünf Jahren haben wir nun alle Minderheiten-Themen und den Amnesty-Report durch, verkündet das fünfköpfige Ensemble von „Yes but no“ zur Spielzeiteröffnung des Gorki Theaters. Diese Selbstironie, mit der sich die ProtagonistInnen des kleinsten Berliner Stadttheaters regelmäßig auf die Schippe nehmen, ist sympathisch, aber auch nicht mehr ganz taufrisch. Im Gegenteil, sie ist schon fast Ritual bei Gorki-Inszenierungen.
Auch dieser Abend widmet sich wieder einem politisch brisanten Thema: die #metoo-Debatte erschütterte zunächst die Filmbranche und die Twitter-Blase und breitete sich dann wellenartig in die gesamte Gesellschaft aus. Wie bei Yael Ronen-Abenden üblich, plaudert das Ensemble, das den Abend gemeinsam mit der israelischen Regisseurin entwickelte, mit Unschuldsmiene über private Erfahrungen, Gott und die Welt. Charakteristisches Stilprinzip ist, dass Realität und Fiktion so geschickt miteinander verquirlt werden, dass für das Publikum nicht mehr nachvollziehbar ist, wo die Grenzen zwischen autobiographischem Tatsachenbericht und hinzugedichteter Zuspitzung verlaufen. War der für seine Skandale berüchtigte Regisseur Johann Kresnik 2005 in „Gudrun Ensslin Andreas Baader“ gegenüber den Stuttgarter Schauspiel-StudentInnen wirklich so übergriffig, wie es Taner Sahintürk in einer Anekdote berichtet? Wie viel Wahrheit steckt in Svenja Liesaus Missbrauchs-Anklage an ihren Stiefvater.
An einem starken Ronen-Abend entsteht ein Kaleidoskop aus ironischen Brechungen, bitteren Momenten und schönen comic relief-Szenen. Leider zählt „Yes but no“ nicht zu dieser Kategorie. Zu unfertig wirken die ersten 75 Minuten, wie eine Stoffsammlung, die auf der Probebühne noch dramaturgisch feingeschliffen werden muss. Manch lustige Idee bleibt in Erinnerung, z.B. der Flirt-Dialog zwischen Riah May Knight und Taner Sahintürk. Sie demonstriert anschaulich, wie schwer aus typisch britischem Understatement ein klares „Ja heißt Ja, Nein heißt Nein“ herauszulesen ist.
Auch musikalisch bleibt „Yes but no“, das als „Diskussion mit Songs“ angekündigt ist, hinter den Erwartungen zurück: Die Musik, die Yaniv Fridel, Shlomi Shaban und Ofer Shabi für Lindy Larsson und Riah May Knight komponiert haben, ist über weite Strecken ein süsslicher Klangteppich. Die bewusst unbeholfenen Tanzeinlagen des Ensembles sind selbstironisches Gehopse, das nervt und einen deutlichen Klassenunterschied zu den präzise choreographierten Bewegungen beim „Orpheus“ von Antú Romero Nunes markieren, der am selben Abend Premiere am Hamburger Thalia Theater feierte.
Nach 75 Minuten hält Taner Sahintürk ein Plädoyer, dass er nicht nur auf die Machorolle festgelegt sein, sondern auch seine weibliche Seite ausleben will. In einer Musical-Einlage appelliert er daran, dass sich jeder penetrieren lassen sollte. Danach übernimmt Ohrit Nahmias, feste Größe in fast jeder Ronen-Inszenierung, wieder das Ruder und erinnert das Publikum daran, dass es sich nach der Pause zu Workshops einzufinden habe. Tobi Müller traf in seinem Deutschlandfunk-„Fazit“ den Nagel auf den Kopf, dass diese Gruppenarbeit zu sehr an Theater-AGs erinnert. Diese schwächere Ronen-Arbeit wird durch dieses Mitmach-Gimmick nur unnötig in die Länge gezogen.
Bild: Esra Rotthoff