„Weeeeeelttt – Schaaauut – Auffff – Uuuuns!!!“ – Valery Tscheplanowa gehört der erste Satz dieses fast vierstündigen Schmerzensschreis. Sie krümmt sich auf der unerbittlich rotierenden Drehscheibe, presst Wort für Wort heraus und treibt die pathetische Verlangsamung als ein zentrales Prinzip von Ulrich Rasches Inszenierungen auf die Spitze. Nach jedem Wort, das sie ins Publikum schleudert, folgt eine bedeutungsschwere Kunstpause. „Die Perser“, ein schmales Reclam-Bändchen, das man auf der Bahnfahrt von Berlin nach Frankfurt/Main problemlos schon in Wolfsburg zuende gelesen haben kann, werden hier zum monumentalen Oratorium.
Als Franz Moor in Schillers „Räubern“ trug Tscheplanowa zu Ulrich Rasches Durchbruch in der Theaterwelt bei. Nachdem sie das Ensemble des Münchner Residenztheaters verlassen hat, übernahm Katja Bürkle ihre Rolle an der Seite Franz Pätzold. Tscheplanowa kann sich nun den Luxus erlauben, sich freischaffend die interessantesten Rosinen unter den Angeboten herauszupicken. Nach ihren beiden Arbeiten mit Castorf als Gretchen im Volksbühnen-Abschieds-„Faust“ und seinem weniger geglückten Berliner Ensemble-Einstand mit „Les Miserables“ hat sich Tscheplanowa nun wieder für Rasche entschieden. Ein Glücksfall für die Inszenierung. Denn wie Egbert Tholl in der Süddeutschen Zeitung bemerkte, lässt sich kaum ein besseres Sprachmedium für das von Rasche geforderte Deklamieren finden.
In der Koproduktion der Salzburger Festspiele mit dem Schauspiel Frankfurt gibt sie gemeinsam mit Bürkle den persischen Ältestenchor, der Atossa (Patrycia Ziolkowska) beistehen muss, und in einem großen Monolog den Geist des Dareios. In dieser Schlüsselszene aus dem antiken Drama von Aischylos steigt der Geist aus der Totenwelt heraus und rechnet mit der Hybris seines Sohnes Xerxes, der in testosterondampfendem Überschwang und jugendlicher Naivität in die Falle getappt ist, die Griechenlands Flotte den eigentlich weit überlegenen Persern bei der Seeschlacht vor Salamis gestellt hat.
Ulrich Rasche polarisiert. Bei der Nennung seines Namens winken viele ab und verdrehen die Augen. Nach zwei Theatertreffen-Einladungen in Folge mit den bereits erwähnten „Räubern“ (2016) und „Woyzeck“ aus Basel werfen ihm seine Kritiker*innen vor, dass er dieselbe erfolgreiche Idee immer wieder durchexerziert: schwer atmende, schweißtriefende, halbnackte, an Drehscheiben festgekettete junge Männer keuchen und brüllen sich durch Textwüsten, während die Trommelfelle der Besucher*innen einem Dauertremolo ausgesetzt sind.
Dieses bekannte Prinzip erleben wir auch in „Die Perser“, dem ältesten erhaltenen Drama der Literaturgeschichte von Aischylos aus dem Jahr 472 v. Christus. Rasches Regiestil passt jedoch perfekt zu dieser Vorlage. Das Stück ist eine auch heute höchstrelevante Anklage gegen „toxische Männlichkeit“, die ohne Rücksicht auf Verluste zu Gewalt aufstachelt und wie eine Dampfwalze über alles hinwegpflügt, was sich ihr in den Weg stellt.
Der von Ulrich Rasche, Toni Jessen und Jürgen Lehmann hervorragend choreographierte Chor der geschundenen, sich mit letzter Kraft aus dem Krieg nach Hause schleppenden, in zerfetzter Kriegsmontur erzählt vom Leid der Opfer.
Besonders eindrucksvoll ist, wie sie einer nach dem anderen in Großaufnahme auf der Videowand aus der Tiefe des Raumes kommen. Als dreifaches fast „nacktes Elend“ (Durs Grünbeins Aischylos-Übersetzung) tritt Xerxes (Max Bretschneider, Torsten Flassig, Johannes Nussbaum) nach fast vier Stunden im Halbdunkel an den Rand der Scheibe und muss sein Scheitern, begleitet von einem letzten Aufbäumen des Klagechors, eingestehen.
Neben den „Räubern“ sind „Die Perser“ aus meiner Sicht Rasches bisher beste Inszenierung und ein auf die Überwältigung der Zuschauer*innen zielendes Theater-Erlebnis. Neben der archaischen Wucht der Vorlage und dem kongenial mahlenden Räderwerk von Rasche nehmen sich die meisten anderen Abende dieser Spielzeit leichtgewichtig aus.
Bilder: Birgit Hupfeld
Ingeborg Pfüller/ Klopfer
Es war das Grandioseste was ich als Schauspiel je erlebt habe.
Bin von Stuttgart extra nach Frankfurt gekommen.
Nur, schon nach der Halbzeit waren meine Ohren taub
und nach 4 Stunden mein ganzer Körper lahm und erledigt.
Es war ein toller Wahnsinn!
Eine irre Schauspieler Leistung .
Kay
Nicht meins… echt nicht, also so ganz und gar nicht! Ich empfand das Geschrei und getrommel in monotonsterer Weise über 4 Stunden als Qual unerträglich … 0 Schauspiel 100% Inszenierung… war niemals so genervt und aggressiv nach einem Theaterbesuch.