Wackersdorf

In seiner Empörung fällt Hans Schuierer, Landrat in Schwandorf, immer wieder in den Dialekt seiner Oberpfälzer Heimat: er hat Franz-Josef Strauß den Fehdehandschuh hingeworfen, dem populistischen Scharfmacher gegen alle, die sich links der Mitte verorten, dem barocken Landesvater, der den damals noch als selbstverständlich, fast schon gottgegeben erachteten Machtanspruch der CSU über Bayern wie kein Zweiter verkörperte.

Der Streit zwischen dem kleinen Landrat im strukturschwachen, als hinterwäldlerisch belächelten Zonenrandgebiet, einem gelernten Maurer und Genossen von der SPD, und der kraftstrotzenden bayerischen Staatsregierung entzündete sich an den 1981 bekannt gewordenen Plänen, eine Atom-Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) in Wackersdorf zu errichten.

Am Bauzaun standen sich die Polizei mit Hubschraubern und Tränengas und ein breites Bündnis von Demonstrant*innen (Umweltbewegung, Grüne, konservative Dorfbewohner*innen, die sich berechtigte Sorgen um ihre Heimat machten, Kirchenvertreter und aus den Großstädten angereiste Linke, die ihrer Wut auf „Atomstaat“ und Kapitalismus freien Lauf ließen) gegenüber.

Oliver Haffners Film erzählt von dieser sieben Jahre dauernden Konfrontation, die 1988, zwei Jahre nach dem Super-GAU von Tschernobyl, mit dem endgültigen Baustopp endete. Anfangs war Landrat Schuierer (Johannes Zeiler) von den WAA-Plänen hellauf begeistert. Der Lobbyist Billinger (aalglatt gespielt von Fabian Hinrichs) und der hemdsärmelige Umweltminister (verschmitzt verkörpert vom Kabarettisten Siggi Zimmerschied) malten ihm eine rosige Zukunft voller neuer Arbeitsplätze aus. Erst nach und nach wachsen bei Schuierer die Zweifel.

Als sich sein auf Baurecht spezialisierter, aus München zugewiesener Beamter Claus Bössenecker (Peter Jordan) und der Landrat auf die Seite der Bürgerinitiative (mit Anna Maria Sturm als fiktive Monika Gegenfurtner, die von ihrer Mutter Irene Sturm inspiriert ist) stellen, schlägt die Staatsmacht zurück: der Beamte wird nach Fürth strafversetzt, der Landrat wird mit einer eigens ausgetüftelten „Lex Schuierer“ einiger Kompetenzen beraubt. Der Versuch, ihn kaltzustellen, misslingt: an der Spitze der erfolgreichen Widerstandsbewegung bleibt der SPD-Mann in einer tiefschwarzen Region bis 1996 im Amt.

„Wackersdorf“ ist ein Heimatfilm der anderen Art, bleibt nah an den historischen Tatsachen und nimmt sein Publikum auf eine Zeitreise in die ebenso aufgewühlten wie verqualmten 1980er Jahre mit. Beim Filmfestival in München wurde er mit dem Publikumspreis ausgezeichnet, am 20. September 2018 startete er in den deutschen Kinos auch jenseits des Weißwurst-Äquators.

Bilder: if… Productions Erik Mosoni

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