Damned be the traitor of his homeland

Häufiger wiederkehrende Motive aus Oliver Frljićs Arbeiten sind in „Damned be the traitor of the homeland“ klar zu erkennen: der makabre Scherz eines Schauspielers, dass der Regisseur bei einem Unfall gestorben sei, oder die offensive Beschimpfung des Publikums, das mit Vorwürfen überzogen wird. Mit ähnlichen Stilmitteln hat Frljić im vergangenen Jahrzehnt – vor allem in Polen und auf dem Balkan – manchen Skandal provoziert und auch den Münchner Marstall aufgeschreckt.

„Damned be the traitor of the homeland“ ist allerdngs deutlich anzumerken, dass die Arbeit aus einer frühen Phase von Frljićs Karriere stammt: auch heute geraten ihm manche Produktionen noch etwas holzschnittartig, aber diese Inszenierung, die 2010 am Mladonski Theatre im slowenischen Ljubljana Premiere hatte und im Anschluss zu diversen europäischen Festivals eingeladen werde, ist ein ganzes Stück von seinen stärksten aktuellen Produktionen wie „Mauser“, „Balkan macht frei“ oder „Der Fluch“ entfernt, in denen er subtiler mit angedeuteten und stärker ironisch gebrochenen Provokationen spielt.

Damals, vor mittlerweile fast zehn Jahren, mag es wie ein Befreiungsschlag gewirkt haben, dass die Spieler*innen in kabarettistischen Wortgefechten gegeneinander sticheln und zwischen ironisch vorgetragenem Balkan-Pop und Volksliedern in den Wunden bohren, die der Zerfall des Vielvölkerstaats Jugoslawien und die Kriege in den 1990er Jahren hinterließen. Es war damals vermutlich auch ein Schock für das Publikum in Ljubljuna, so frontal und aggressiv angeschnauzt zu werden. Heute bekommt Primož Bezjak nur freundlichen Applaus und wissendes Kichern, wenn er in seinem aktualisierten Monolog unter Pistolenschüssen dem Berliner Publikum im besonderen und dem Westen im allgemeinen die Leviten liest, dass die Empörung über Menschenrechtsverletzungen selektiv ist und mit Saudi-Arabien in den vergangenen Jahren lieber Geld verdient wurde als sich näher mit den moralischen Fragen der Rüstungsexporte auseinanderzusetzen.

Im Kern dreht sich „Damned be the traitor of the homeland“ aber um die Aufarbeitung der Kriege auf dem Balkan. In der letzten Szene, die recht unvermittelt abbricht, werfen sich die Spieler*innen die Vorwürfe wie Frisbee-Scheiben an den Kopf. Draga Potocnjak wollte aus dem Projekt aussteigen oder gibt dies zumindest glaubhaft vor. Sie hatte Skrupel, ein Lied zu singen, das ein Starlet trällerte, das sich auch an der Seite eines Kriegsverbrechers zeigte. Namen und Fakten, die man hierzulande kaum kennt, werden in schnellem Ping-Pong ausgetauscht. Der nur 75 Minuten kurze Abend kulminiert in gegenseitigen Schuldzuweisungen und Potocnjaks Einknicken.

Das Gorki Theater lud „Damned be the traitor of his homeland“ als letzte größere Produktion des „War or Peace“-Festivals ein, obwohl es im Repertoire ein stärkeres und aktuelleres Stück zum Thema Balkankriege zu bieten hat: „Common Ground“ (2014) von Hausregisseurin Yael Ronen, das nach der ersten Spielzeit von Shermin Langhoffs Intendanz gleich für das Theatertreffen ausgewählt wurde. Deshalb ist „Damned be the traitor of his homeland“ vor allem als historischer Rückblick interessant, mit welchen stilistischen Mitteln zu Beginn des Jahrzehnts die Auseinandersetzung mit der Kriegsvergangenheit auf dem Balkan geführt wurde.

Bild: © Žiga Koritnik

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