Mitten in der hektischen Betriebsamkeit der Fraktionsebene des Reichstags beginnt der neue Film von Ulrich Köhler: vor einem Wald von Mikrofonen geben nacheinander Thomas Oppermann, Karl Lauterbach und Sahra Wagenknecht ihre Statements ab. Allein, das Wichtigste fehlt. Kameramann Armin hat die Aufnahmen verpatzt und An/Aus-Knopf seines Arbeitsgeräts verwechselt. Der zuständige TV-Redakteur macht den Freelancer verdientermaßen zur Schnecke.
Anschließend entschleunigt der Film massiv: gewohnt spröde im Stil der „Berliner Schule“ folgt „In my room“ dem unspektakulären Alltag des Losers Armin: er blitzt bei einem One-Night-Stand-Versuch nach einer Club-Nacht ab und hat in der Liebe ebenso wenig Erfolg wie im Job. Durch die verregnete Tristesse Ostwestfalens fährt er zum Haus seines Vaters (Michael Wittenborn) und steht hilflos daneben, wie seine Großmutter stirbt. Diesen Sterbeprozess zeigt Köhler ungeschminkt in seinen schmerzlichen Details.
Nach der ersten Stunde wird aus dem Porträt eines einsamen, alternden Mannes plötzlich eine surreale Dystopie. Arnim (Hans Löw) wacht eines Morgens auf und ist scheinbar der letzte Überlebende eines Infernos. Menschliches Leben ist wie vom Erdboden verschluckt, PKWs hängen wie Spielzeugautos in den Leitplanken. Neugierig tastet sich Armin voran, fährt mit wechselnden Autos durch die Gegend, genießt die Freiheit menschenleerer Städte. Nur die Tiere haben überlebt. Das Großartige an diesem Film sind die Kamerafahrten von Patrick Orth.
Im letzten Drittel wird der Film wieder wesentlich uninteressanter Armin/Adam lernt eine Eva/Kirsi (Elena Radonicich) kennen: sie ist die zweite Überlebende des Endes der menschlichen Zivilisation, für das der Film keinerlei Erklärung anbietet. Die beiden leben zunächst glücklich mit ihren Tieren in einer Selbstversorger-Idylle zusammen, aber auch diese menschliche Bindung zerbricht.
Die arte-Co-Produktion „In my room“ lief in der Reihe „Un certain regard“ in Cannes 2018 und startete am 8. November 2018 in einigen Programmkinos.
Bild: © Copyright: Pandora Film