Birds of Passage

Einer der ungewöhnlichsten Filme des Kinojahres ist „Birds of Passage“ des kolumbianischen Duos Ciro Guerra/Cristina Gallego, die in Cannes die „Quinzaine des Realisateurs“ eröffnen durften.

Für diesen Film muss man etwas Geduld mitbringen. Er beginnt recht schleppend und scheint auf den ersten Blick eine Studie über die Wayuu, einen matriarchalisch organisierten Stamm im Norden Kolumbiens, zu sein. Guerra/Gallego sind für ihr starkes ethnologisches Interesse bekannt: sie waren beim „Around the World in 14films“-Festival bereits 2015 mit ihrem rätselhaften Amazonas-Trip „Der Schamane und die Schlange“ zu Gast, der tief in die Mythologie der indigenen Völker eintauchte. Damals firmierte Guerra noch als alleiniger Regisseur, Gallego als Produzentin. „Birds of Passage“ ist ihre erste gemeinsame, gleichberechtigte Regie-Arbeit.

Die Exposition konzentriert sich vor allem auf zwei Figuren: Úrsula (Carmiña Martínez), die an der Spitze des Stammes Würde ausstrahlt und auf die Traditionen pocht. Der Schutz durch Talismänner und die Unantastbarkeit von „Wortboten“, die zwischen den Familien im Konfliktfall hin und hergeschickt werden, sind zentrale Motive des Films. Eine zweite Schlüsselfigur ist ihr Schwiegersohn Rapayet (José Acosta). Er traf 1968 auf amerikanische Hippies, die auf der Suche nach Marijuana waren, und erkannte schnell, dass sich hier ein großer Markt auftut.

Inspiriert von wahren Begebenheiten schildert „Birds of Passage“, wie die Wayuu in den Drogenhandel einsteigen. Aus dem ethnologischen Porträt wird nun ein Thriller über das organisierte Verbrechen. Mit allem, was bei diesem Genre dazugehört: Intrigen, Verhandlungen über Revierabgrenzungen, brutale Liquidationen, ein explosiver Showdown.

Das Spannende an „Birds of Passage“ ist, wie Guerra/Gallego in ihrem zweistündigen Epos aus fünf Gesängen den Rhythmus variieren: Momente völliger Ruhe und gemächlich dahinfließende Passagen wechseln mit Thriller-Motiven. Zwei Welten treffen aufeinander und bringen die althergebrachten Strukturen zum Einsturz.

Kolumbien schickt den Film ins Rennen um den Oscar für den besten fremdsprachigen Film 2019. Wer die Vorführung beim „14Films“-Festival gestern verpasst hat, kann „Birds of Passage“ voraussichtlich im Februar/März 2019 im Kino sehen. Der Kinostart war bereits für die Weihnachtswoche angekündigt, wurde aber kurzfristig verschoben.

Bilder: @Ciudad Lunar Blond Indian-Mateo Contreras

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