#Genesis

Der zweiten Stückentwicklung von Yael Ronen, die sie wie üblich gemeinsam mit ihrem Ensemble für die Münchner Kammerspiele erarbeitet hat, wurde einiges vorgeworfen: zu disparat sei der Abend, zu viele lose Fäden habe er und inhaltlich komme er oft nicht über eine kabarettistische Nummernrevue hinaus. All das ist leider richtig.

Aber „#Genesis. A Starting Point“ hat trotz dieser berechtigten Kritik viel zu bieten, was diesen Abend sehenswert macht: Zuerst sind hier die kleinen Kabinettstückchen zu nennen, sympathische, präzise Miniaturen wie die Auftritte von Daniel Lommatzsch als Schlange, die mit ihren spitzen Bemerkungen und lasziven Phantasien die Lustfeindlichkeit von Christen- und Judentum als zwei patriarchal geprägten, monotheistischen Religionen anprangert.

Dieses Thema zieht sich als roter Faden durch die ca. 100 Minuten und kommt in einer typischen Ronen-Szene besonders gut zur Geltung: Wiebke Puls, Pastorentochter aus Husum, der australische Performer Damian Rebgetz und der in Jerusalem aufgewachsene Jeff Willbusch erzählen in der unverkennbaren Ronen-Manier davon, wie verklemmte Moralvorstellungen und Homophobie ihnen ihre Jugend schwer machten. Wie immer bei Ronen bleibt in der Schwebe: Ist das autobiographisch oder einfach nur gut erfunden?

Wer sich „Genesis. A Starting Point“ entgehen lässt, verpasst außerdem gleich im Anschluss die tolle Schluss-Szene, als Wiebke Puls zart zu „Knocking on heavens´s door“ ansetzt und das gesamte Ensemble einstimmt.

Was diesen Abend außerdem sehenswert macht, ist das Bühnenbild von Wolfgang Menardi. Die Erde ist bei ihm eine Scheibe, über die die armen ersten Menschlein aus dem Paradies in ihren zwischen Comedy und biblischem Ernst schwankenden Kostümen (von Amit Epstein) krabbeln, und die von einer zweiten Scheibe gespiegelt wird, in der sich die Spieler*innen ständig beobachten können. Die Raffinesse des Bühnenbildes hätte man sicher noch besser ins Spiel einbeziehen können, aber bereits die wenigen Szenen, in denen Ronen ganz auf die Wirkung dieses wundersamen Bühnenbilds und seiner Lichteffekte setzt, hinterlassen einen bleibenden Eindruck.

Denkwürdig macht „Genesis. A Starting Point“ vor allem der Anfang. Der Eiserne Vorhang ist noch runtergelassen und verstellt den Blick auf Menardis Paradies-Landschaft, die Kostüme von Gott, Adam, Eva und ihren Kindern sind noch unter Alltags-Klamotten versteckt. Rebgetz setzt zu einer Bilanz seiner Zeit an den Münchner Kammerspielen an, erzählt von den großen Hoffnungen, mit denen er aus Berlin kam und ins Ensemble einstieg. In nur wenigen Minuten beschreibt er das Unverständnis auf beiden Seiten, die Ablehnung des Münchner Publikums gegen Lilienthals Experimente an den Kammerspielen und seine Enttäuschung, die ihn jetzt wieder in die Arme seiner alten Geliebten Berlin, Münchens Dauerrivalin, treibt.

Die resignierte Publikumsbeschimpfung von Rebgetz ist der ungewöhnliche Auftakt einer Inszenierung und Kommentar zur emotional aufgeladenen, praktisch vom ersten Tag der Intendanz von Lilienthal an schwelenden Debatte, ob seine Vorstellungen von Theater, die er am Berliner HAU schärfte, ins konservativere München passen.

Gleich danach ergreift Wiebke Puls das Wort, preisgekrönter Publikumsliebling, ein vertrautes Gesicht und eine Konstante des Hauses. Sie ist schon seit 2005 im Ensemble an der Maximilianstraße engagiert, war schon in der Ära Johan Simons beim Theatertreffen zu sehen, wurde dort in diesem Jahr in der Ära Lilienthal mit dem 3sat-Preis ausgezeichnet und versprach in „#Genesis. A Starting Point“, dass sie hierbleiben und weiter für ihre künstlerischen Vorstellungen kämpfen wird.

Bilder: David Baltzer

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