status quo

Heftigen Gegenwind spürte Thomas Ostermeier auf einem Panel des Theatertreffens 2018. An seiner Schaubühne durften in der vergangenen Spielzeit nur Männer Regie führen, weibliche Handschriften: Fehlanzeige monierten die Aktivistinnen von Pro Quote Regie.

Knapp ein Jahr später stand im Globe die Premiere von „status quo“ an: ein Stück von Maja Zade in der Regie von Marius von Mayenburg. Passgenau zur #metoo-Debatte geht es darin um Alltagssexismus, schmierige Übergriffe und das Reduziertwerden auf Betthäschen und Sexobjekte.

Schaut man sich die beiden Namen an, liegt ein Verdacht nahe: Ist es nur eine Verlegenheitslösung, wenn die langjährige Dramaturgin und ein ebenso langjähriger Hausregisseur hier gemeinsam eine Uraufführung vorstellen dürfen? Ein Schnellschuss unter dem Druck der Aktivistinnen, der offensichtlich beim Intendanten Ostermeier seine Spuren hinterlassen hat?

Nein, „status quo“ ist weit mehr als ein Lückenfüller. Der zweistündige Abend ist eine virtuos komponierte Satire, die den Blickwinkel um 180 Grad dreht. Sabbernde, notgeile, alte Böcke, die junge Mitarbeiterinnen angrabschen, gibt es hier nicht. Ständig in der Gefahr, auf ihr Äußeres reduziert zu werden, sind die jungen Männer, die sich einer Übermacht von sie bedrängenden Frauen in Machtpositionen gegenübersehen.

Zwei tolle Hauptdarsteller*innen spielen diese Umkehrung der oft beklagten Verhältnisse in drei Szenen beispielhaft durch: Moritz Gottwald als „Florian“, der sich dagegen wehrt, dass alle ihn zum „Flo“ verniedlichen und Jule Böwe in der Rolle seiner diversen Chefinnen.

Mit gekonnt gesetzten Schnitten wechseln Zade und von Mayenburg zwischen den drei parallelen Erzählsträngen hin und her. Der schlaksig-unsichere Florian versucht sich als Berufsanfänger in drei verschiedenen Branchen: Erstens in einem Makler-Büro, in dem die Platzhirschkühe ihr Revier arrondiert haben, ihn rumschubsen und auch der Sekretär Manni (Lukas Turtur) bockbissig darauf achtet, dass ihm kein anderer den Rang als Schönling des Büros abläuft. Zweitens in einem Drogeriemarkt, in dem eine mit Fatsuits entstellte Filialleiterin (Jule Böwe) ihren Frust kompensiert und den Azubi Flo zur „Chefinnensache“ erklärt. Wenn neue Pflege-Lotions getestet werden, legt sie persönlich Hand an und weist Flo zurecht, dass er sich nicht so zieren soll.

Drittens ist Flo ein Schauspieler frisch von der Schule, der sich bei einem cholerischen Alphaweibchen (Jule Böwe als regieführende Intendantin) um ein erstes Engagement bemüht. Zwei Jahre zu mickrigem Anfängergehalt, die Auftritte auf der Bühne als Blickfang für die Abonnentinnen und zur Freude der Chefin mit möglichst wenig Textilien, bei den Proben ständig auf der Hut vor dem nächsten Wutausbruch.

Jenny König karikiert in einem Insider-Gag während der Theaterproben-Szene auch Lars Eidinger, Star des Hauses mit Bravo-Poster-Boy-Format, und geht bucklig ausstaffiert wie sein „Richard III.“ von der Hausherrin angefeuert in einer Übergriffsszene auf den Kollegen Flo/Moritz Gottwald los. In den anderen Szenen wechselt sich Jenny König mit Marie Burchard als Partnerin von Flo ab. Jenny König spielt eine von den Rollenerwartungen an die starke, tonangebende Frau überforderte Figur, die Flo linkisch angräbt und mit seinem Gefühlsleben überfordert ist, Marie Burchard sitzt breitbeinig auf der Couch, lässt sich bekochen, das Bier holen und gefällt sich in der Ernäherinnenrolle, die einen Anspruch auf permanente sexuelle Verfügbarkeit von Flo zu haben glaubt.

Mit „status quo“ ist Maja Zade/Marius von Mayenburg eine unterhaltsame Satire gelungen, die den nötigen Biss hat und ihre Grundidee des Perspektivwechsels über zwei Stunden gekonnt ausarbeitet.

Bilder: Arno Declair

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