In einen sterilen weißen Raum, vollgepackt mit technischem Equipment, Überwachungskameras für Livevideos mit Großaufnahmen und Kabelsalat, hat Christopher Rüping die Anhörung des Atom-Physikers J. Robert Oppenheimer verlegt. Auf dem Höhepunkt der McCarthy-Hysterie gegen alles, was nur entfernt nach kommunistischen Umtrieben roch, musste sich Oppenheimer im Frühjahr 1954 vor einer Kommission verantworten, die ihm mangelnde Loyalität zur US-Administration und ihrem damals sprunghaft angewachsenen militärisch-industriellen Komplex vorwarf. Das Verfahren endete damit, dass dem berühmten Forscher, einem der Köpfe des Manhattan-Projekts zum Bau der ersten Atombomben, die Sicherheitsgarantien entzogen wurden.
Heinar Kipphardt formte aus den Akten eine Textfassung, die 1964 – also genau zehn Jahre nach den Anhörungen – zuerst vom Hessischen Rundfunk als Fernsehspiel verfilmt und kurz darauf als Dokumentartheater-Text bei Suhrkamp veröffentlicht wurde. Auf den Spielplänen ist Kipphardts Stück über den Forscher, der angesichts des einsetzenden Wettrüstens im Kalten Krieg und des drohenden atomaren Overkills, der jede Spur der Zivilisation auszulöschen drohte, nach einer frühen Erfolgswelle nach den beiden ersten Aufführungen an der Freien Volksbühne Berlin und den Münchner Kammerspielen heute nur noch sehr selten zu finden.
Rüping brachte den Text nun am Deutschen Theater Berlin auf die Bühne, an der Kipphardt von 1952-1958 als Dramaturg gearbeitet hatte, und beginnt den Abend mit einer ganzen Reihe von Irratationsmomenten. Die Spieler*innen bekommen ihre Texte von Wiebke Mollenhauer als „Stimme des Protokolls“ vorgekaut und wiederholen die Wortfetzen mechanisch, während sie um den Konferenztisch herumsitzen.
Im Lauf des Abends verwandelt sich ihr steriles Tonstudio in ein Biedermeier-Wohnzimmer und schließlich wieder zurück in eine futuristische, noch sterilere Design-Landschaft mit gleißendem Licht und Scheinwerfern, die langsam ihre Pirouetten am Boden drehen.
Von dem manchmal fast noch pubertär wirkenden und albernen Energieüberschuss, der Rüpings bisherige Arbeiten oft prägte, ist in „Die Sache J. Robert Oppenheimer“ nichts mehr zu spüren. Mit großem Ernst, ebenso spröde wie – von Rüping mittlerweile leider schon gewohnt – rücksichts- und gedankenlos verqualmt, folgt er dem Text aus der frühen Nachkriegszeit.
Eigene Akzente setzt er vor allem an zwei Stellen: Erstens bei Dr. Jean Tatlock, eine ehemalige Verlobte Oppenheimers und kommunistische Parteigängerin, die Suizid begangen hat. Während der langen Befragungen in Kipphardts Stück taucht sie nur an einigen Stellen auf. Durch Rüpings Theaterabend geistert Wiebke Mollenhauer ganz in Weiß wie ein gepenstischer Wiedergänger vor allem während der zweiten Hälfte.
Zweitens sind Oppenheimers Gegenspieler diesmal keine Kommunistenfresser und Kalte Krieger-Betonköpfe. Das Schlussplädoyer der Militäranwälte reichert Maike Knirsch mit Passagen aus dem Beschleunigungsmanifest für eine akzelerationistische Politik an, die in der Ära von Digitalisierung und Gentechnik fortschrittsgläubig, technikoptimistisch und neoliberal gegen alle Skrupel und Bremsen wettert.
An dieser Stelle hätte der bis dahin zähe Abend noch wirklich spannend werden können. Seine These bleibt aber in einer Kopfgeburt stecken, „In der Sache J. Robert Oppenheimer“ kommt nicht über enttäuschendes Qualm- und Quältheater hinaus.
Bilder: Arno Declair