Volker Lösch ist als Mann klarer Botschaften bekannt. In seinem neuen Stück „Das blaue Wunder“ knöpft er sich die AfD vor – nicht irgendwo, sondern in Dresden: In der Pegida-Hochburg, wo die Diskursverschiebung nach Rechts und sprachliche Verrohung, die in den vergangenen Jahren stattgefunden haben, besonders deutlich zu spüren sind. In der sächsischen Landeshauptstadt, in der im Spätsommer die AfD erstmals als stärkste Fraktion in einen Landtag einziehen könnte.
Drei Botschaften hämmern uns Volker Lösch und die beiden Autoren Thomas Freyer und Ulf Schmidt ein: Die AfD ist eine rassistische, anti-feministische und anti-soziale Partei. Dies wird zwei Stunden lang auf einer Arche durchdekliniert. Dorthin haben sich die verunsicherten Bürger geflüchtet, die ohne jedes Selbstwertgefühl und voller Zukunftsangst zu Beginn der Aufführung zusammengekrümmt am Eisernen Vorhang kauern.
Das „Blaue Buch“ soll ihnen neue Hoffnung geben und den Weg weisen. Ähnlich dogmatisch wie die Maoisten vor einigen Jahrzehnten ihrer roten Bibel des großen Vorsitzenden folgten, hängen hier alle an den Lippen des „Predigers“ Höcke und des „Märtyrers“ Poggenburg.
Über weite Strecken werden Versatzstücke aus diversen Wahlprogrammen der AfD aneinandergereiht. Dramaturgisch klappert das Gerüst dieses Theaterabends gewaltig. Lösch und sein Team zeichnen mit groben Strichen das Bild sich schnell radikalisierender Fanatiker, die sich in Säuberungsaktionen gegenseitig liquidieren und in einer finale Volte mit Islamisten verbünden. Rar sind subtilere Szenen wie ein schöner Irritationsmoment von Holger Hübner: Er tritt allein an die Rampe, recht triumphierend einen SPIEGEL hoch und liest empört von Gewalt in überfüllten Auffanglagern und Zuwanderern, die „uns“ die Arbeitsplätze wegnehmen. Es handelt sich jedoch keineswegs um einen aktuellen Text gegen Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Nahen Osten, sondern um eine Beschreibung der deutsch-deutschen Flucht von Ost nach West im Wendejahr 1989/90.
Ansonsten bleibt der Abend plakativ: Frauen werden zu Gebärmaschinen degradiert, Migranten werden in „Ankerkammern“ abgedrängt. Die Arbeitslosen und prekär Beschäftigten, die auf mehr soziale Gerechtigkeit hofften, werden im Maschinenraum des Stahlskeletts ausgebeutet. Der holzschnittartige, zur Groteske überzeichnete Abend macht es der AfD leicht, ihn achselzuckend abzutun und predigt vor allem zu den ohnehin Bekehrten, die die AfD niemals wählen würden.
Bemerkenswert ist dieser künstlerisch und ästhetisch enttäuschende Abend vor allem als große Selbstvergewisserung der linken Initiativen in Dresden. In der zweiten Hälfte dieser nur zwei Stunden kurzen, pausenlosen Aufführung senkt sich der Eiserne Vorhang in immer kürzeren Abständen. Der Plot wird durch Statements von zahlreichen, im Programmheft aufgeführten lokalen Aktivist*innen unterbrochen, die über ihre Aktionen gegen AfD und Pegida berichten und die eine große Sorge eint: Was passiert, wenn es nach der Landtagswahl 2019 zu einer schwarz-blauen Regierung kommt? Die meisten treten mit vollem Namen auf, manche anonym, mit dem Rücken zum Publikum oder ganz im Dunkeln, aus Angst vor Übergriffen, falls sie erkannt werden.
Der Dresdner Bürgergesellschaft Mut zu machen und die Vielfalt der lokalen Initativen vorzuführen, ist das zweite zentrale Anliegen von Volker Löschs Inszenierung im Staatsschauspiel Dresden, die bereits vorab viel Staub aufwirbelte. In der Schlusszene kommt der Bürger*innenchor auf die Bühne und skandiert gemeinsam: „Engagiert Euch! Gemeinsam können wir es schaffen, dass Sachsen richtig geil wird!“ Mit stehenden Ovationen werden sie für dieses Statement nach einem Abend gefeiert, der vermutlich in Dresden noch länger nachhallen und weitere Diskussionen auslösen wird.
Bilder: Sebastian Hoppe
Ursula Leicht
Ich empfehle Herrn Kögler dringend, das Gutachten bzw die Materialsammlung zu lesen, das heute auf Netzpolitik org veröffentlicht wurde. Wer die AfD, ihre Ideologie, ihr Geraune von „Volkstod“, Aufstand und Bürgerkrieg (selbst Gauland),ihre Agitation und das zutiefst dystopische Weltbild, beim Wort nimmt, kann nur abstrus wirkende Szenerien entwerfen. Sie sollten dafür nicht diejenigen kritisieren, die sich seit Jahren gegen diese angeblich alternative Partei engagieren, sei es politisch oder auf der Bühne, und die sie pauschal als „links“ subsummieren“ und denen Sie selbst etwas ins Drehbuch zu schreiben versuchen.